Pulmonaler Rundherd  Was bei Zufallsbefunden in der Thorax-CT zu tun ist

DGP-Kongress 2024 Autor: Manuela Arand

Spikulierte, lobulierte oder inhomogene Herde, die bei einem Thorax-CT entdeckt werden, sind oftmals malignomverdächtig. Spikulierte, lobulierte oder inhomogene Herde, die bei einem Thorax-CT entdeckt werden, sind oftmals malignomverdächtig. © vivekFx – stock.adobe.com

Nachdem Bildgebung in der pneumologischen Diagnostik immer wichtiger wird, ist mit einer steigenden Zahl zufällig entdeckter Lungenrundherde zu rechnen. Wie trennt man zwischen abklärungsbedürftig und irrelevant?

Oft hilft bereits die Morphologie zu entscheiden, ob eine intensive Diagnostik erforderlich ist, ob gleich therapeutische Maßnahmen erfolgen sollten, ob Abwarten oder Ignorieren die richtige Option ist, erklärte PD Dr. Hilmar Kühl, Klinik für Radiologie am St. Bernhard-Hospital Kamp-Lintfort. Gefordert ist also eine exakte Beschreibung dessen, was der Radiologe sieht. Die Fleischner Society hat vor einigen Jahren ein Glossar erarbeitet, das eine einheitliche Klassifikation und Definition pulmonaler Zufallsfunde bietet und auch auf Deutsch vorliegt.1 Es gibt Klinikern und Radiologen eine gemeinsame Sprache, sodass sie wissen, wovon der andere redet. Apropos reden: Der Radiologe freut sich, wenn auf dem Überweisungszettel mehr steht als nur „Thorax-CT erbeten“ oder – wie es Dr. Kühl tatsächlich erlebt hat – FFL, kurz für „Fachfremdes Leiden“. Was er sich von den Zuweisern wünscht, sind vor allem Informationen zu Klinik und Anamnese. Ausführliche Lungenfunktionsbefunde seien überflüssig, aber es helfe schon zu wissen, ob eine restriktive oder obstruktive Lungenerkrankung vorliegt.

Vorbefunde, besser noch Voraufnahmen erleichtern die Befundung enorm. „Wenn die Radiologen Sie fragen, ob Sie nicht wenigstens irgendeinen alten Röntgenthorax haben, macht das Sinn, denn der Verlauf ist wichtig für die Beurteilung“, betonte Dr. Kühl. Wie wichtig Anamnese und Verlaufskontrollen sind, illustrierte er an einem Fallbeispiel. Die Patientin, aktuell tabakabstinent nach langjähriger Raucherkarriere (COPD im GOLD-Stadium IV mit starkem Emphysem), kam zur Abklärung einer kleinen Kaverne und eines 15 mm messenden Rundherds im rechten Oberlappen, der bei der Bildgebung wegen einer Pneumonie aufgefallen war. Die Kaverne entpuppte sich als kleine Parenchymnarbe mit dezentem peribronchialem Infiltrat infolge eines arteriellen Thrombus, also als nekrotisch einschmelzende Infarktpneumonie. Der kleine Rundherd in der Lungenperipherie wurde im Verlauf beobachtet und wuchs binnen zwei Monaten 2 mm in der längsten und 1 mm in der kürzesten Achse. Das klingt undramatisch und ist auch optisch nicht eindrucksvoll. Hier zeigt sich aber, wie wichtig es ist, solche Läsionen volumetrisch zu erfassen. Eine Durchmesserzunahme von 26 % entspricht einer Volumenverdopplung, woraus sich in diesem Fall eine Verdopplungszeit von 177 Tagen ergab. Das liegt in der Größenordnung eines nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms (100–300 Tage), Kleinzeller verdoppeln sich schneller (50–100 Tage). Der sicherste Parameter für die Herdcharakterisierung ist die Volumetrie. Alle CT schaffen heute Aufnahmen in Submillimeterschichten und können auch kleine Herde sicher ausmessen. Cave: Der Nutzen von Vorbefunden ist limitiert, besonders wenn sie aus anderen Einrichtungen stammen. Um exakte Verlaufskontrollen zu gewinnen, müssen identische Scanparameter und -protokolle benutzt werden. Selbst dann sind Scansysteme verschiedener Hersteller nicht vergleichbar, weil jeder seine eigenen Berechnungsparameter benutzt. „Wenn Sie Volumetrie verwenden, tun Sie sich den Gefallen: dasselbe System mit identischen Parametern für dieselben Herde“, sagte Dr. Kühl. „Dann ist das ein extrem gutes Tool für die Verlaufskontrolle.“

Empfehlungen für solide Rundherde

 

Größe

Knotentyp

< 6 mm (< 100 mm3)

6–8 mm (100–250 mm3)

> 8 mm (> 250 mm3)

singulär Niedrigrisiko

kein Routine-Follow-up

CT nach 6–12 Monaten, evtl. weiteres CT nach 18–24 Monaten

CT nach 3 Monaten erwägen, PET/CT oder Gewebsprobe

singulär Hochrisiko

optional CT nach
12 Monaten

CT nach 6–12 Monaten sowie nach 18–24 Monaten

CT nach 3 Monaten erwägen, PET/CT oder Gewebsprobe

multipel Niedrigrisiko

kein Routine-Follow-up

CT nach 3–6 Monaten, evtl. weiteres CT nach 18–24 Monaten

CT nach 3–6 Monaten, evtl. weiteres CT nach 18–24 Monaten

multipel Hochrisiko

optional CT nach 12 Monaten

CT nach 3–6 Monaten sowie nach 18–24 Monaten

CT nach 3–6 Monaten sowie nach 18–24 Monaten

nach MacMahon H et al. Radiology 2017; 284: 228-243; DOI: 10.1148/radiol.2017161659

Die Morphologie, aber auch die Lage des Herdes liefert wichtige Informationen. Spikulierte, lobulierte oder inhomogene Herde sind malignomverdächtig, insbesondere solche mit Kontakt zur Pleura. Dreieckige Herde an den Lungensepten lassen sich dagegen prima vista als intrapulmonale Lymphknoten aussortieren. „Wenn wir diese Kriterien anwenden, fallen viele Herde, die uns die KI markiert und die wir sonst in die Aufarbeitung oder Nachversorgung schicken würden, einfach raus“, so Dr. Kühl. Unter 15 Herden, welche die KI herausfischt, sind nach seiner Erfahrung mindestens 10 septale oder fissurale Lymphknoten. Er warnte in diesem Zusammenhang davor, zu viel Vertrauen in die KI zu setzen. Zumal jede KI aufhört zu lernen, sobald sie die Marktzulassung erhält. Dann handelt es sich nämlich um ein Medizinprodukt, das nicht mehr verändert werden darf. Um auf den neuesten Stand zu kommen, sind regelmäßig kostenintensive Updates fällig.

* Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin

1 Wormanns, Hamer OW. Rofo 2015; 187: 638-661; DOI: 10.1055/s-0035-1553216

Quelle: 64. Kongress der DGP*