Von Endometriose bis Varikose Was sich bei Frauen hinter chronischen Unterbauchschmerzen verbergen kann

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Gezeigt wurde, dass Frauen mit chronischem Unterbauchschmerz in ihrer Kindheit signifikant häufiger körperliche und sexuelle Gewalt erlebt haben. (Agenturfoto) Gezeigt wurde, dass Frauen mit chronischem Unterbauchschmerz in ihrer Kindheit signifikant häufiger körperliche und sexuelle Gewalt erlebt haben. (Agenturfoto) © Pixel-Shot – stock.adobe.com

Klagt eine Patientin über chronische Schmerzen im Unterbauch, kommt ein breites Spektrum möglicher Auslöser in Betracht. Zu denken ist nicht nur an gynäkologische, sondern auch an gastrointestinale und urologische Ursachen. Eine Leitlinie führt anschaulich durch den Dschungel.

Eine einheitliche Definition des chronischen Unterbauchschmerzes gibt es nicht. In den meisten Studien dazu werden sechs Monate als Grenze festgelegt, ab der man von chronisch spricht. Dem schließen sich die Experten der ­DGPFG* in ihrer aktualisierten Leitlinie an.

Als häufige Ursache nennen sie zunächst die Endometriose. Eine ursächliche Beziehung kann angenommen werden, wenn der Schmerz zyklisch auftritt, die Diagnose operativ bestätigt wurde und eine medi­kamentöse oder operative Therapie zu einer anhaltenden Besserung führt. Fast alle Frauen mit symptomatischer Endometriose leiden an einer mehr oder minder schweren Dysmenorrhö. Wenn dieses Leitsymptom fehlt, sollten andere Differenzialdiagnosen in Betracht gezogen werden. Außerdem muss man bedenken, dass manche Frauen mit gesicherter Endometriose keine Beschwerden haben und das Ausmaß der Erkrankung nicht mit der Stärke der Symptome korreliert.

Ein Zusammenhang zwischen Unterbauch­beschwerden und Adhäsionen konnte bisher nicht gesichert werden. Die pelvine Varikose hingegen wird in der Leitlinie als mögliche Ursache eingestuft, wenngleich ­potenzielle Pathomechanismen noch geklärt werden müssen. Bekannt ist, dass es vor allem bei Multiparae zu einem mutmaßlich progesteronbedingten Versagen der Klappenfunktion in der V. ovarica kommen kann. Der resultierende Rückstrom von Blut aus der linken Nierenvene ins Becken löst dann eventuell chronische Schmerzen aus.

Reste von Ovarialgewebe können Beschwerden machen

Als potenzielle Ursache chronischer pelviner Symptome kommt auch das Ovarian-Remnant-Syndrom durch verbleibende Eierstöcke nach Hysterektomie oder Reste von Ovarialgewebe nach bilateraler Salpingo-Oophorektomie infrage. Letzteres stellt vor allem in der Endome­triosechirurgie wegen des unübersichtlichen Situs ein Problem dar. Wodurch das Syndrom Schmerzen auslöst, ist nicht geklärt.

Häufig beobachtet man eine Assoziation zwischen pelvinen Beschwerden und Myomen. In einer internationalen Onlinebefragung von rund 21.000 Frauen nannten 15 % diese gutartigen Tumoren im Zusammenhang mit chronischen Unterbauchschmerzen. Nur 3 %  der Schmerzpatientinnen hatten kein Myom.

Als Vulvodynie werden Schmerzen im Bereich der Vulva bezeichnet, die ohne klinische Auffälligkeiten oder Hinweise auf eine organische Ursache mindestens ein Vierteljahr anhalten. Ihre Prävalenz wird mit 8–28 % angegeben. Betroffene Frauen klagen über schleichend oder plötzlich auftretendes Brennen, Stechen, Trockenheits- oder Wundgefühl oder Schmerzen. Manche berichten über starken genitalen oder perianalen Juckreiz (spontan oder bei Berührung). Ein penetrierender Geschlechtsverkehr ist häufig nicht mehr möglich.

Pathophysiologisch vermutet man eine somatoforme Schmerzstörung mit peripheren und zentralen Mechanismen sowie affektiven und interpersonellen Faktoren. Die Störung führt generell und dadurch auch im Beckenbereich zu erhöhter Muskelspannung.

Eine Vielzahl gastroenterologischer Erkrankungen kann ebenfalls Unterbauchschmerzen auslösen. Bekannte Zusammenhänge bestehen mit dem Reizdarmsyndrom, dem M. Crohn oder der Colitis ulcerosa. Als weitere Ursachen sollten Divertikulitis und Zöliakie ausgeschlossen werden.

Als urologische Ursache für Beckenbeschwerden nennen die Experten die interstitielle Zystitis. An sie ist zu denken, wenn zusätzlich zu den chronischen Schmerzen im unteren Abdomen mindestens ein weiteres spezifisches Blasensymptom (z.B. häufiger und anhaltender Harndrang) vorliegt. In diesem Fall sollte den Autoren zufolge eine zys­toskopische Abklärung erfolgen.  Außerdem haben die pelvinen Schmerzen nicht selten eine multifaktorielle Ätiologie. So können Veränderungen in Muskeln, Skelett und Bindegewebe als Trigger fungieren. Auch die Fibromyalgie und Hernien müssen als Auslöser in Betracht gezogen werden.

Zusätzlich zum Unterleibsschmerz leiden viele Patientinnen an psychischen Erkrankungen mit vermehrter Angst, Depressivität und Substanzabhängigkeit. Nicht selten treten zudem somatoforme Störungen auf. Erschwerend kommt bei vielen eine Neigung zum Katastrophisieren hinzu, die Betroffenen nehmen quasi immer das Schlimms­te an und legen in der Folge ein ausgeprägtes Schonverhalten an den Tag. Dadurch kommt es zu einer muskulären Dysbalance, die zusammen mit einem angst­gesteuerten Vermeidungsverhalten zum Fortbestehen der chronischen Schmerzen beiträgt. Zudem klagen betroffene Frauen im Vergleich zu gesunden häufiger über sexuelle Funktionsstörungen.

Eine Verbindung mit sozialen Faktoren wie ethnischer Zugehörigkeit, Familienstand und Erwerbstätigkeit ließ sich bisher nicht sichern. Allerdings ermittelte eine Studie eine Assoziation zwischen geringem Bildungsstand, vermehrter Besorgtheit, emotionalem Leid und funktioneller Beeinträchtigung. Es könnte also durchaus sein, dass die körperlichen Veränderungen durch Stressreaktionen im Alltag ausgelöst werden.

Betroffene wurden häufiger in der Kindheit missbraucht

Gezeigt wurde, dass Frauen mit chronischem Unterbauchschmerz in ihrer Kindheit signifikant häufiger körperliche und sexuelle Gewalt erlebt haben. Dieser Zusammenhang sollte allerdings differenziert und nicht vorschnell als allgemeingültiges Erklärungsmodell betrachtet werden, betonen die Leitlinienautoren. Multiple traumatische Erfahrungen und sexueller Missbrauch in der frühen Phase des Lebens sind jedoch ein möglicher Risikofaktor für spätere Beschwerden.

*Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe

Quelle: S2k-Leitlinie „Chronischer Unterbauchschmerz der Frau“, AWMF-Register-Nr. 016-001,
www.awmf.org