Arzt-Patienten-Connection Was sich mit ePA, DiGA und KI alles erreichen ließe
Im Idealfall könnte es zukünftig so ablaufen: Eine 68-jährige, auf dem Lande lebende Patientin geht zum Hausarzt, weil sie seit einiger Zeit einen stechenden Schmerz in der Brust spürt. Der Hausarzt füttert seinen Computer mit den relevanten anamnestischen Daten und Laborwerten. Eine Software kommt mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) in Sekundenschnelle zum Ergebnis: hohe KHK-Wahrscheinlichkeit. Umgehend kann sich die Frau beim Kardiologen vorstellen, dem dank elektronischer Patientenakte (ePA) bereits alle wichtigen Informationen vorliegen. Er diagnostiziert schließlich eine chronische Herzinsuffizienz, erstellt einen Behandlungsplan und nimmt die Patientin in ein Telemonitoring-Programm mit entsprechender DiGA (digitale Gesundheitsanwendung) auf.
Selbstständige Patientin dank digitaler Unterstützung
Die Patientin kontrolliert nun täglich Gewicht und Blutdruck, die Werte fließen in der ePA zusammen und sind tagesaktuell für alle beteiligten Ärzte abrufbar. Nach einem Jahr ermittelt ein Algorithmus aufgrund der Verlaufsdaten eine hohe Risikowahrscheinlichkeit für einen Typ-2-Diabetes. Der Hausarzt wird aufmerksam, bestellt die Patientin ein und bespricht präventive Maßnahmen. Da die Tochter ihre Mutter mitversorgt, erhält nun auch sie einen Zugang zur DiGA. Mit digitaler Unterstützung bleibt die Patientin über viele Jahre selbstständig und ist am Management ihrer Erkrankung beteiligt.
Ganz so weit ist die Digitalisierung in der Patientenversorgung bei uns noch nicht, wenngleich einige Aspekte teilweise bereits umgesetzt werden, resümieren Dr. Thomas Helms von der Deutschen Stiftung für chronisch Kranke in Fürth und Kollegen. KI-Algorithmen zur Risikobewertung werden aktuell für verschiedene Fragestellungen entwickelt. Und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie z.B. hat im Jahr 2020 erstmals den selbstverständlichen Umgang mit digitalen Medien zur Patientenversorgung gefordert.
Einer Umfrage zufolge sehen 86 % der Krankenhausärzte in der Digitalisierung primär Chancen. Bei den niedergelassenen Vertragsärzten sind es nur 53 %. Hingegen verweisen 39 % in erster Linie auf mögliche Risiken. Dies könnte nach Meinung der Autoren auch daran liegen, dass Klinikärzte sich ganz auf die Nutzung der digitalen Angebote konzentrieren können, während niedergelassene Kollegen sich mit den teilweise kostenintensiven technischen Voraussetzungen und Problemen herumschlagen müssen.
Herzstück der Digitalisierung ist nach Meinung des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen die ePA. Alle behandelnden Leistungserbringer sollen Einsicht in diese Akte haben, um präventive Maßnahmen, frühe Diagnosen und schnelle Therapieanpassungen zu ermöglichen und Behandlungsfehler zu vermeiden. 89 % der Kliniker und 54 % der Praxisärzte erwarten durch die ePA eine vereinfachte Zusammenarbeit zwischen den Fachgruppen. Als Risiko wird vor allem ein möglicher Datenmissbrauch angesehen.
Was ein Abbau bürokratischer Hürden und angepasste Vergütungsmodelle bewirken können, zeigt das Beispiel der Videosprechstunden in der Coronapandemie. Auch vom Gemeinsamen Bundesausschuss wird die Integration telemedizinischer Leistungen in die Regelversorgung mittlerweile gefördert.
Ungeplante Einweisungen lassen sich verhindern
Bedeutung und Anforderungen von Telemonitoring z.B. für die Kardiologie hat die DKG in einem Positionspapier zusammengestellt. Versorgungskonzepte zielen beispielsweise bei Herzinsuffizienz nicht nur auf eine frühzeitige Diagnose. Vielmehr sollen auch alle Daten von implantierbaren Geräten und anderen Quellen wie Blutdruckmessgeräten oder Smartwatches zusammengeführt und ausgewertet werden. Studien haben gezeigt, dass sich durch telemedizinische Betreuung ungeplante Krankenhauseinweisungen vermindern und die Sterblichkeit von Herzpatienten senken lassen. Vor allem Menschen in Gegenden mit geringer Arztdichte profitieren davon.
Quelle: Helms TM et al. Internist 2021; 62: 1180-1190; DOI: 10.1007/s00108-021-01173-z