So lässt sich die Telemedizin in der Diabetes-Schwerpunktpraxis umsetzen

Autor: Dr. Karin Schlecht/ Gabriele Faber-Heinemann

Gerade für ältere, weniger mobile Patienten ist eine Sprech­stunde per Video sinnvoll. Doch die technischen Voraussetzungen können eine Hürde sein. Gerade für ältere, weniger mobile Patienten ist eine Sprech­stunde per Video sinnvoll. Doch die technischen Voraussetzungen können eine Hürde sein. © Proxima Studio – stock.adobe.com

Die Fernbehandlung von Diabetespatienten als ergänzendes Angebot ist in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis grundsätzlich möglich, einfach umsetzbar und lässt sich – wenn auch auf niedrigstem Niveau – abrechnen. Die Diabetologin Dr. Karin Schlecht bietet bestimmten Patienten eine Videokonsultation an. Im diatec journal berichtet sie, wie das genau abläuft.

Zusammen mit Kollegen betreibe ich eine Diabetes-Schwerpunktpraxis in Eisenach in Thüringen, mit einer Hauptpraxis und zwei Zweigpraxen. Dort bieten wir ausgewählten Patienten an, sie im Rahmen einer Videokonferenz zu konsultieren – sinnvoll ist dies insbesondere im ländlichen Raum, wo die Anfahrtswege oftmals weit sind oder das Patientenklientel im fortgeschrittenen Alter und damit weniger mobil ist.

Software verschiedener Anbieter und separate Technik

Neben der üblichen Hard- und Software einer Schwerpunktpraxis haben wir einen separaten internetfähigen Rechner sowie ein Ausleseterminal mit Touchscreen und einen großen Flatscreen-Bildschirm, den ich auch für die Video-Sprechstunde nutzen kann. Als Software nutzen wir die Ausleseprogramme der Diabetes-Technologiefirmen Abbott, Dexcom, Medtronic und Roche, daneben, falls erforderlich, die cloudbasierten Onlineprogramme Carelink-Pro®, Clarity, Mylife digital, Accu-Chek® connect und Libreview. Der Down- und Upload der Daten geht dann auf den zentralen Server und ist somit auf allen Arbeitsplätzen abrufbar.

Daten werden vor dem Termin bereitgestellt

Vor einer Videosprechstunde stellen Patienten ihre Daten aus Pumpe und CGM-System on- oder offline in das System ein. Möglich ist es aber auch, uns die Daten zu faxen, zu mailen oder auch ganz traditionell mit der Post zu schicken. Zur Videosprechstunde lade ich mir dann die Auswertungen auf den Bildschirm und mache mich mit ihnen vertraut, bevor ich den Patienten aus dem virtuellen Wartezimmer aufrufe. Der Zugang erfolgt über das Portal eines externen Anbieters, nach Eingabe von Namen und Zugangsdaten habe ich den Patienten bzw. seine aktuellen Daten vor mir, beim diabetischen Fußsyndrom (DFS) auch ein aktuelles Foto. Das virtuelle Arzt-Patienten-Gespräch über Telefon oder Video ist inhaltlich im Wesentlichen identisch mit dem persönlichen Vis-à-vis-Gespräch.

Technische Voraussetzungen auf Seiten der Patienten

Damit das alles reibungslos funktioniert, sind einige technische Voraussetzungen notwendig: Der Patient benötigt einen PC, ein Tablet oder ein Smartphone mit Kamera und Mikrofon und natürlich einen Internetzugang mit aktuellem Browser. Die Praxis benötigt das alles ebenfalls und zusätzlich einen zertifizierten Video­dienstanbieter, außerdem müssen die Zulassungs- und Abrechnungsvoraussetzungen der KV Thüringen erfüllt werden.

So weit, so gut. Die Ersparnis von Zeit- und Fahrtaufwand auf Seiten der Patienten ist enorm, was von diesen sehr geschätzt wird. Doch es gibt Enschränkungen:

  • Die technische Ausstattung und das digitale Know-how seitens der Patienten ist oft gering – die Browser sind häufig veraltet, es ist kein Smartphone vorhanden.
  • Die Netzverbindungen sind gerade im ländlichen Raum manchmal instabil. Das bringt wiederum Zeitaufwand mit sich, wenn Ton- und Bildqualität schlecht sind und die Verbindung immer wieder zusammenbricht.
  • Manche Systeme unterstützen das Hochladen der Daten nicht (z.B. iOS).
  • DFS-Patienten benötigen Fremdhilfe für das Foto durch einen Angehörigen oder durch eine Wund­schwester.

Telemedizin aktuell ein sinnvolles Zusatzangebot

Finanziell rechnet sich die Telemedizin nicht. Unser Lösungsansatz: Patienten, für die eine Videosprechstunde infrage kommt, erhalten neben zwei Präsenzterminen im Jahr zwei weitere Videokonferenztermine. Die elektronische Gesundheitskarte wird mit der Post zugeschickt oder von Angehörigen gebracht, um den Chip einzulesen, Rezepte werden mitgegeben oder zugeschickt. Bei DFS-Patienten ist die Chipkarte meist nicht notwendig, der Patient ist ja bereits bekannt durch häufige Kontakte. Wir vereinbaren einen synchronen Termin mit Arztkonsultation, Wundbetrachtung und Fotoversendung in derselben Sitzung, auch dafür lassen sich bereits Abrechnungsziffern nutzen.

Finanzielles Desaster

Katastrophal ist die Vergütung bei telemedizinischen Angeboten: Die Konsultationsgebühr beträgt 9,27 Euro (GOP 01439) und wird einmal im Behandlungsfall vergütet, jedoch nur, wenn der Patient in den vorangegangenen zwei Quartalen persönlich vorstellig geworden ist. Dies ist nicht neben der Versichertenpauschale möglich. Hinzu kommt der Technikzuschlag in Höhe von 4,21 Euro (GOP 01450) für bis zu 50 Videosprechstunden im Quartal. Telemonitoring und telefonische Kontaktaufnahme gelten nur bei telemedizinischer Funktionsanalyse in der Kardiologie und Radiologie und werden in der diabetologischen Schwerpunktpraxis nicht erstattet. Im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) gibt es seit dem 1. April 2019 für die Videosprechstunde keine Einschränkungen mehr auf bestimmte Indikationen. Eingesetzt werden können die Abrechnungsziffern GOP 01450 und GOP 01439. Gegebenenfalls ist die Verwaltungskomplexziffer GOP 01430 abrechenbar. Dagegen aufgerechnet werden müssen beispielsweise die Kosten für den Videodienstanbieter, die mit ca. 60 Euro pro Monat zu Buche schlagen.

Für die rasche und sichere Übermittlung von Befunden, Fotos und Falldiskussionen nutzen wir eine App: „Siilo“ bietet Datenschutz durch Verschlüsselung, Vernetzung mit bis zu 300 Kollegen/medizinischen Fachberufen und Anonymisierung der Daten. Trotz aller Schwierigkeiten sind Videosprechstunden und Telemonitoring äußerst sinnvoll als zusätzliches Angebot zu sehen. Die Anwendung ist einfach und für jede Schwerpunktpraxis machbar, die Vorteile überwiegen. Grundsätzlich handelt es sich bei einer Videosprechstunde um „Sprechende Medizin“, das Kommunikationsmedium unerheblich. Telemedizin gehört in die Regelversorgung, die Übermittlung von Daten aus CGM-Systemen, inklusive Analyse und Bewertung, gehört als Telemonitoring in den Zulassungskatalog! Nachdem diese Forderungen beim Zukunftstag Diabetologie 2019 mit Nachdruck geäußert wurden, wurde die KBV aufmerksam und es folgten Verhandlungen – mit Erfolg.