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Hypertonie Weiblicher Bluthochdruck ist anders

Autor: Dr. Anne Benckendorff

In Sachen Blutdruck schließen Frauen nach der Menopause meist zu gleichaltrigen Männern auf, v.a. systolisch. In Sachen Blutdruck schließen Frauen nach der Menopause meist zu gleichaltrigen Männern auf, v.a. systolisch. © forma82 – stock.adobe.com
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Die anatomischen und hormonellen Unterschiede zwischen Frauen und Männern wirken sich auf die Entwicklung einer Hypertonie aus. Was das therapeutisch bedeutet, wird erst allmählich deutlich. Gesicherte Erkenntnisse gibt es zumindest zum Hochdruck in der Schwangerschaft.

Junge Frauen haben im Durchschnitt einen niedrigeren Blutdruck als gleichaltrige Männer. Dagegen steigt bei Frauen nach der Menopause insbesondere der sys­tolische Blutdruck steiler an. Dies geht mit einem deutlich erhöhten kardiovaskulären Risiko einher, schreibt Prof. Dr. ­Martin ­Middeke vom Hypertoniezentrum München. Warum das so ist, sei nicht abschließend geklärt. Doch spreche vieles für das folgende Erklärungsmodell:

Frauen sind im Durchschnitt kleiner als Männer – entsprechend geringer fallen Durchmesser und Länge des Aortenbogens aus. Zudem scheinen ihre Gefäße in jungen Jahren hormonell bedingt elastischer zu sein. Nach der Meno­pause nimmt die Gefäßsteifigkeit aber stärker zu, auch im Bereich des Aortenbogens.

Die Unterschiede wirken sich auf die Hämodynamik aus. So beob­achtet man fast nur bei großen jungen Männern – aber sehr selten bei Frauen – die isolierte juvenile sys­tolische Hypertonie. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Amplifika­tion der Druckwelle von der Brust­aorta bis zum Messpunkt Armarterie bei ihnen höher ist. Dagegen führt die geringere Amplifikation bei Frauen zusammen mit dem kürzeren Laufweg der reflektierten Pulswelle bei kürzerer Aorta zu einer geringeren Blutdruckamplitude. In einer Studie zeigte sich bei unter 45-Jährigen mit isolierter systolischer Hypertonie eine geringere kardiovaskuläre Mortalität als bei Männern.

In der zweiten Lebenshälfte nimmt die Steifigkeit der Gefäße bei beiden Geschlechtern immer weiter zu. Bei Frauen betrifft sie besonders die proximale Aorta. Dies hat zum einen zur Folge, dass die reflektierte/retrograde Druckwelle bei Frauen schneller und stärker zum Herzen zurückläuft, was den systolischen Blutdruck zusätzlich erhöht.

Aortale Hypertonie bei peripherer Normotonie

Zum anderen kann die steife Aorta den erhöhten Druck nur partiell oder gar nicht in die ­A. brachialis weiterleiten, wo der Blutdruck gemessen wird. In diesem Fall kann eine maskierte aortale Hypertonie auftreten, also ein konventionell gemessener Blutdruck im Normbereich bei gleichzeitiger aortaler Hypertonie.

Um die Situation zu demaskieren, muss man eine Pulswellenanalyse zur Bestimmung des zentralen aortalen Blutdrucks durchführen, erklärt Prof. Middeke. Da das kardiovaskuläre Risiko bei Frauen bereits bei niedrigeren Blutdruckwerten stärker erhöht ist als bei Männern, sollten sie früher behandelt werden.

Nur in wenigen Hochdrucktherapiestudien wurden Analysen getrennt nach Geschlechtern durchgeführt. Wesentliche Unterschiede ließen sich dabei nicht erkennen, schreibt der Experte. Kalziumantagonisten scheinen bei Frauen tendenziell besser wirksam zu sein. Da diese vor allem den zentralen Blutdruck gut senken, stünde diese Beobachtung im Einklang mit dem beschriebenen Erklärungsmodell.

Klare Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen dagegen im Hinblick auf die Nebenwirkungen der gängigen Blutdrucksenker. So entwickeln Frauen unter Diuretika häufiger Elektrolyt- und Herzrhythmusstörungen als Männer. Unter Kalziumkanalblockern kommt es bei ihnen häufiger zu peripheren Ödemen und unter ACE-Hemmern öfter zu Husten.

Etwa 5–10 % aller Schwangeren entwickeln eine Gestationshypertonie. Bislang wird diese in Deutschland leitliniengerecht erst dann behandelt, wenn der Blutdruck 160/100 mmHg übersteigt.

Milden Gestationshochdruck ebenfalls behandeln

Neue Daten weisen nach Aussage von Prof. Middeke darauf hin, dass bereits die Behandlung einer milden Hypertonie sinnvoll wäre. So ging in der CHAP*-Studie eine Senkung auf Werte < 140/90 mmHg mit deutlichen Vorteilen für den Verlauf der Schwangerschaft einher. In der Studie wurde meist der (in Deutschland nicht erhältliche) kombinierte Alpha- und Betablocker Labetalol verordnet, gefolgt von retardiertem Nifedipin.

Der Autor rät dazu, während der Schwangerschaft retardierte Kalziumkanalblocker (Nifedipin, Amlodipin) einzusetzen, denn sie senken den aortalen Blutdruck am effektivsten und führen somit zu einer verbesserten Durchblutung der zentralen Organe. Dagegen wirkt der hierzulande häufig verordnete Beta­blocker Metoprolol nur auf den peripheren Blutdruck. Er sollte nach Ansicht des Autors bevorzugt werden, sofern auch die Herzfrequenz klinisch relevant erhöht ist.

Haben werdende Mütter bereits in einer früheren Schwangerschaft eine Präeklampsie entwickelt, lohnt sich offenbar ein differenziertes Vorgehen entsprechend der individuellen hämodynamischen Parameter (Herzfrequenz, Herzminutenvolumen, peripherer Widerstand). In einer niederländischen Studie führte die Behandlung mit Labetalol, Nifedipin oder Methyldopa auch bei (noch) normalen Blutdruckwerten zu einer deutlichen Senkung des Risikos für eine Prä­eklampsie bzw. ein HELLP-Syndrom.

*    Chronic Hypertension And Pregnancy

Quelle: Middeke M. Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 547-554; doi:10.1055/a-1892-4800