Schlucken mit Hindernissen Wie man Motilitätsstörungen des Ösophagus diagnostiziert und behandelt

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Bei der Achalasie kann der untere Ösophagussphinkter nicht korrekt entspannen. Bei der Achalasie kann der untere Ösophagussphinkter nicht korrekt entspannen. © Hellerhoff - wikimedia.org

Der eine hat Schmerzen wie beim Herz­infarkt, der andere hustet ständig – das Beschwerdebild bei Bewegungsstörungen der Speiseröhre ist bunt. Vier typische Ausprägungen gibt es, alle erfordern die zielgenaue Therapie.

Ist die motorische Funktion des Ösophagus gestört, kommt es meist zu Schluckstörungen, möglicherweise auch zu Ernährungs­defiziten. Als Referenzverfahren zum Nachweis ösophagealer Motilitätsstörungen gilt die hochauflösende Manometrie (HRM*). Dafür wird ein mit zahlreichen Drucksonden ausgestatteter dünner Katheter über die Nase eingeführt. Der Patient absolviert in liegender und sitzender Position eine festgelegte Folge von Wasserschlucken. Je nach Messdaten ergeben sich Hinweise auf eines von vier typischen Krankheitsbildern.

Achalasie

Die wichtigste Motilitätsstörung der Speiseröhre ist die Achalasie. Dabei kommt es zu einer insuffizienten oder ganz ausbleibenden schluck­induzierten Relaxation des unteren Ösophagussphinkters (UÖS) und zu typischen Veränderungen der tubulären Motilität. Ursächlich vermutet wird eine auto­immune Genese vor dem Hintergrund einer genetischen Vorbelastung, die zu einer entzündlichen Destruktion im Bereich des unteren Sphinkters führt. Als Auslöser gelten v.a. Virus­erkrankungen (z.B. Herpes). Auch eine Opioidtherapie kann zu achalasieähnlichen Bildern führen, die sich nach dem Absetzen eventuell zurückbilden. 

Die Symptome einer Achalasie entwickeln sich oft langsam über Monate bis Jahre, schreibt PD Dr. ­Jutta ­Keller vom Israelitischen Krankenhaus Hamburg. Die typischen Beschwerden reichen von Dysphagie bei fester und flüssiger Kost und Odynophagie über Regurgitationen bis hin zu retrosternalen Schmerzen. Auch Krämpfe und ein Druckgefühl hinter dem Brustbein können auftreten. Viele Patienten klagen über Refluxbeschwerden, die auch dominieren können. Als Folge von Aspirationen kann es zu chronischem Husten und Thoraxschmerzen kommen. Etwa die Hälfte der Kranken berichtet von Gewichtsverlust

Als Differenzialdiagnosen kommen andere benigne Erkrankungen, aber auch Malignome in Betracht. Zum Ausschluss einer mechanischen Ob­struktion wird primär die Ösophago­gastroduodenoskopie (ÖGD) empfohlen. Es zeigt sich eine von normaler Schleimhaut überzogene Engstellung in Höhe der Kardia. Außerdem finden sich oft Speise- und/oder Speichelreste im Tubulus. Frühe Formen werden selbst von erfahrenen Endoskopikern häufig nicht sicher erkannt.

Zur weiteren Diagnostik eignet sich bei Dysphagiepatienten ohne Obstruktion eine Röntgenkontrastaufnahme. Diese zeigt einen dilatierten tubulären Ösophagus mit filiformem glatt begrenztem Engpass in der Kardia (Sektglasform). Allerdings ist dieses bildgebende Verfahren vor allem in frühen Stadien mit einer Sensitivität von weniger als 60 % behaftet. In der Mano­metrie lässt sich beim Schluckvorgang eine eingeschränkte Relaxation des unteren Sphinkter mit übernormal erhöhtem integriertem Relaxationsdruck erkennen. Die FLIP**-Manometrie erleichtert es, klinisch relevante Störungen aufzudecken. Zusätzlich zum Tonus ermöglicht sie Aussagen über den Öffnungsgrad des Sphinkters.

Die Therapie zielt bei Achalasie darauf ab, Abflusshindernisse zu beseitigen und ggf. spastische tubuläre Kontraktionstörungen zu mindern. Der Einsatz von Glattmuskelrelaxanzien wie Nitraten und Kalzium­antagonisten wird meist durch kardiovaskuläre Nebenwirkungen eingeschränkt. Als natürliche Alternative eignet sich Pfefferminzöl (5 Tropfen in 10 ml Wasser vor den Mahlzeiten und bei Beschwerden). 
Als operative Behandlung bietet sich die erprobte Heller-Myotomie an, bei der die Muskulatur des dis­talen Ösophagus durchtrennt wird. Die Ösophagektomie kommt nur als Ultima Ratio für Patienten mit massiver Symptomatik und anderweitig therapierefraktärer Erkrankung infrage. Die Wirkung der Ballondilatation beruht auf dem „Zerreißen“ der Muskulatur des UÖS. Die langfristige Erfolgsrate ist mit 80–90 % ähnlich hoch wie die der Myotomie. Die endoskopisch durchgeführte Injektion von Botulinumtoxin in den Sphinkter führt kurzfristig zu ähnlichen Resultaten wie die Ballondilatation. Wegen der auf wenige Monate bis vier Jahre begrenzten Wirkung ist sie der Ballondilatation und Myotomie jedoch unterlegen. Sie eignet sich aber als Reserve­verfahren für ältere Menschen und Hochrisiko­patienten.

Subtypen der Achalasie

Gemäß Chicago-Klassifikation wird die Achalasie in drei Typen unterteilt. Entscheidend ist die Ausprägung der obligatorischen tubulären Motilität:

Typ I: tubuläre Amotilität
Typ II: bei mindestens 20 % der Kontraktionen panösophageale Druckschwankungen
Typ III: in mindestens 20 % vorzeitige, d.h. spastische tubuläre Kontraktionen

Die perorale endoskopische Myo­tomie (POEM) hat das therapeutische Spektrum beträchtlich erweitert. Sie ist v.a. bei Formen der Achalasie erfolgreich, die auf andere Verfahren schlecht ansprechen wie etwa der Typ III (s. Kasten). Sie kann auch nach pneumatischer Dilatation oder Myotomie bzw. an anderer Lokalisation erfolgter POEM eingesetzt werden. 

Distaler Ösophagusspasmus

Eine schwere Motilitätsstörung, die fast immer Beschwerden verur­sacht, ist der distale Ösophagus­spasmus (DES). Häufig treten retro­sternale Schmerzen auf, die in Rücken, Kieferwinkel und Arme ausstrahlen können und unabhängig von der Nahrungsaufnahme auftreten. Die Dysphagie besteht oft sowohl für feste als auch für flüssige Kost. Differenzialdiagnostisch müssen kardiale und orthopädische Erkrankungen ausgeschlossen werden. Das diagnostische Verfahren der Wahl ist die hochauflösende Manometrie.

Therapeutisch können Isosorbid­dinitrat und Nifedipin im akuten Anfall oder präprandial versucht werden, ebenso Pfefferminzöl und die regelmäßige Gabe von Diltiazem. Auch Botulinumtoxin kann die Beschwerden rasch lindern. Die wichtigste Therapieoption für schwer betroffene Patienten ist die perorale endoskopische Myo­tomie. 

Hyperkontraktiler Ösophagus

Typisch für den hyperkontraktilen Ösophagus sind wiederholte starke Kontraktionen, die im Gegensatz zum distalen Spasmus nicht vorzeitig auftreten. Die teils starken retrosternalen Schmerzen erfordern eine Abgrenzung zur Angina pectoris. Eine Dysphagie tritt eher selten auf. Die Diagnose wird manometrisch gestellt. Die Röntgenkontrast­darstellung ist meist unauffällig, die Behandlung erfolgt wie beim dis­talen Ösophagus­spasmus. 

Hypotensive Ösophagus-Motilitätsstörungen

Die häufigste manometrische Diagnose bei unklarer Dysphagie lautet hypotensive Ösophagusmotilitätsstörungen. Mitunter treten sie infolge einer neurologischen oder rheumatischen Erkrankung auf, etwa bei diabetischer autonomer Neuropathie oder bei systemischer Sklerose. Vielfach lässt sich kein Auslöser finden. Die Diagnose kann nur manometrisch gesichert werden, zuvor muss eine endoskopische Abklärung erfolgen.

Die Therapie basiert meist auf Maßnahmen wie gutem Kauen und aufrechter Körperhaltung beim Essen und Trinken sowie im Bedarfsfall breiiger oder flüssiger Kost. Gegen die Refluxkrankheit hilft eine Säure­suppression. Pro­kinetika sind in Deutschland derzeit nicht zur Therapie an der Speiseröhre zugelassen. Bei ausgeprägtem Beschwerde­bild kann Prucaloprid off label eingesetzt werden.

*    high resolution manometry
**    functional luminal imaging probe

Quelle: Keller J. Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 1187-1200; DOI: 10.1055/a-1664-7458