Diabetestechnik Zwischen Patschhändchen und Pubertät
Es sind vor allem die Funktionen und die Anwenderfreundlichkeit, die ein CGM-System attraktiv machen, erklärte die Kinderdiabetologin Dr. Simone von Sengbusch, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck. „Eine Pumpe ist besonders attraktiv, wenn sie mit einem Sensor verheiratet wird, besonders klein ist und sich via Smartphone steuern lässt.“ Es gebe aber durchaus Unterschiede, was die Anforderungen und Bedürfnisse in den einzelnen Altersgruppen betrifft, sagte die Referentin.
Testboxen für eifrige kleine Kinder eher ungünstig
So sei für jüngere Kinder besonders wichtig, dass die Stechhilfe für die Blutzuckermessung möglichst wenig wehtut. „Kleine Kinder wollen natürlich gern alles mitmachen. Da sind Teststreifenboxen ungünstig, aus denen beim Öffnen gleich alle Teststreifen herausfallen.“ Bei rtCGM-Systemen wünschte sich Dr. von Sengbusch einfache und kostengünstige Empfangsgeräte, damit Eltern ihren Kindern kein teures Smartphone in die Kita oder Schule mitgeben müssen. „Handgeräte können leider keine Daten an die Eltern übertragen, daher wäre eine Art Dongel mit SIM-Karte gut, den die Kinder bei sich tragen.“
Das CGM-System sollte die aktuellen Glukosewerte und -trends einfach und mit anschaulicher Farbcodierung darstellen: „Auch Grundschulkinder verstehen schon gut, dass ein großer grüner Bereich gut ist“, sagte die Expertin. Bei den Insulinpens gebe es bereits Modelle mit kleinen Dosierschritten (0,5 IE) sowie kurzen Pennadeln (4 mm). Allerdings wären auch bei Insulinpumpen Infusionssets mit kurzen Nadeln wünschenswert, da die meisten Kinder kaum Fettgewebe haben. Zudem sollten Pumpen klein und leicht bedienbar sein, damit auch das Betreuungspersonal in Kita und Schule intuitiv damit zurechtkommt.
Jugendliche finden eine Dauerüberwachung blöd
Für Jugendliche hat bei rtCGM-Systemen vor allem eine individuell einstellbare Follower-Funktion hohe Priorität. „In diesem Alter wollen sie den Schutz durchaus noch und sehen ein, dass ihre Eltern die Werte im Blick haben möchten. Aber sie wollen keine Dauerüberwachung“, betonte die Referentin. Ebenfalls wichtig: Die CGM-App sollte sich mit Smartwatch und anderen bluetoothfähigen Geräten koppeln lassen und möglichst wenig Akku verbrauchen. Schließlich wird bspw. das Smartphone im gesamten Alltag intensiv genutzt.
Bei Insulinpumpen spielt für die Jugendlichen auch die Optik eine große Rolle. Zudem stehen Modulprodukte hoch im Kurs, die sich mit anderen Elementen zu Systemen zur automatisierten Insulinabgabe kombinieren lassen (Automated Insulin delivery, AID). In Sachen Kombinierbarkeit ergeben sich in der Praxis allerdings Probleme. „Wir wollen ja gern verstehen, was warum passiert. Doch das ist schwer, wenn wir für jedes Modul eine separate Software brauchen“, kritisierte Dr. von Sengbusch.
Was noch fehlt und wo es mitunter hakt
Weiteren Handlungsbedarf sieht sie bei AID-Systemen für jüngere Kinder. Während die Pumpen und Sensoren für sich genommen in der Regel ab einem Alter von 0–2 Jahren zugelassen seien, könne man sie in Kombination als sensorunterstützte Pumpentherapie (SuP) oder als AID-System meist erst ab einem Alter von 6–7 Jahren einsetzen. „Kinder unter sechs sind hier also benachteiligt“, bedauerte die Kinderdiabetologin. Dabei gebe es viele Studien, denen zufolge sich bei guter Schulung und Nachbetreuung mit der SuP bzw. AID-Systemen deutlich bessere Ergebnisse erzielen lassen als mit ausschließlicher Pumpen- und CGM-Therapie. „Man kann das zwar auch außerhalb der Alterszulassung verordnen, aber das ist eine Einzelfallangelegenheit und damit sehr mühsam“, sagte die Referentin.
Kongressbericht: Diabetes Kongress 2021