Ärzte unter Generalverdacht bei gesponserten Fortbildungen – Das raten die Anwälte
Staatsanwälte aus Thüringen haben gegenüber KV, Kammer und Landeskrankenhausgesellschaft die Ansicht vertreten, dass ein Anfangsverdacht für strafbares Verhalten nach § 299a StGB bereits dann anzunehmen sei, wenn Ärzten die Teilnahme an einer Fachveranstaltung von der Industrie finanziert werde. Das gelte sowohl für die Einladung einzelner Ärzte als auch für kollektives Veranstaltungssponsoring. Dabei erlaubt die Berufsordnung der Ärzte beides „in angemessenem Umfang“.
Häufigere Verordnung als versteckte Gegenleistung?
Auch der Justiziar der Ärztekammer Niedersachsen, Karsten Scholz, sprach gegenüber den „Praxisnachrichten“ der KBV eine Warnung aus. Es könne „strafrechtlich relevant“ werden, wenn einem Arzt die – aufgrund des Sponsorings eh schon vergünstigte – Tagungsgebühr, Hotel- und Anreisekosten erstattet würden, ohne dass dieser dafür einen Vortrag oder eine Moderation beisteuere. Denn dann stelle sich die Frage, ob es eine „versteckte Gegenleistung“ gebe, etwa die unausgesprochene Zusage an die Pharmavertreterin die von ihr beworbenen Produkte häufiger zu verordnen.
Die Wiesbadener Fachanwälte für Medizinrecht Maximilian Broglie und Stefanie Pranschke-Schade können sich der Einschätzung des Justiziars durchaus anschließen. Die Pauschalität der Äußerungen aus Thüringen teilen sie dagegen nicht.
Um einem Anfangsverdacht aus dem Weg zu gehen, sollten Ärzte bei der Wahl einer Fortbildungsveranstaltung darauf achten, dass in der Programmgestaltung kein Einfluss der Pharmaindustrie erkennbar ist, raten die beiden Rechtsanwälte. „Dies dürfte in der Regel bei Veranstaltungen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften gewährleistet sein.“ Zudem sollten Ärzte anfallende Tagungsgebühren, Reise- und Übernachtungskosten lieber selber tragen und sich nicht von einer Pharmafirma bezahlen lassen. Dass die Berufsordnungen der Landesärztekammern nach wie vor die Finanzierung von Reisen, Teilnehmergebühren und Übernachtungen als zulässig einstufen, halten Broglie und Pranschke-Schade für „nicht mehr zeitgemäß“, wenngleich daraus aus ihrer Sicht kein strafrechtlich relevantes Verhalten resultiert.
Die Kammern sollten dem Zeitgeist folgen, meinen die Anwälte. „Die Zulässigkeit der Fremdfinanzierung von Fortbildungsaufwendungen für Ärzte sollte schon aufgrund der strafrechtlich veränderten Situation aus den Berufsordnungen gestrichen werden.“
Einen Anfangsverdacht auf Bestechung zu hegen, wenn ein Veranstalter Gelder von Pharmafirmen zur Unterstützung einer Fortbildungsveranstaltung bekommt, halten sie allerdings für „zu weit gehend“, wenn gemäß Transparenzkodex der Arzneimittelindustrie „die Summe und die Firma als Sponsor bei der Ankündigung der Veranstaltung ausgewiesen sind“.
Darauf, dass die Berufsordnung Zuwendungen in „angemessenem Umfang“ für zulässig erklärt, könne man sich aus strafrechtlicher Sicht nicht verlassen, erklärt Christoph Klein, Fachanwalt für Strafrecht in Köln. Ein Anfangsverdacht sei schnell begründet, dann könnten Ermittlungen aufgenommen werden.
Von Produkteinweisungen besser Abstand nehmen
Wie gut der Nachweis von Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen gelinge, werde die Rechtsprechung zeigen. Allerdings werde die Darstellung einer Unrechtsabrede umso schwerer fallen, je mehr Sponsoren eine Veranstaltung unterstützen. Die Teilnahme an gezielten Produkteinweisungen sollten die Ärzte jedenfalls meiden.
Klein erinnert an die Absicht des Gesetzgebers beim Antikorruptionsgesetz: Das Vertrauen ins Gesundheitswesen soll gestärkt werden. Dass ein Arzt wirtschaftliche Vorteile genießt, indem ihm die Industrie seine Fortbildungskosten erstattet, widerspreche dem. Die Kammern müssten hier Rechtssicherheit schaffen.
In einem Aufsatz für die Fachzeitschrift „medstra“ führt der Münchner Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Daniel Geiger aus, dass Kongresseinladungen und Veranstaltungssponsoring durchaus korruptiv missbraucht werden könnten. Allein die Finanzierung einer Kongressreise oder Veranstaltung durch die Pharmaindustrie reiche aber für einen Anfangsverdacht nach § 299a StGB nicht aus. Es müssten schon „besondere Umstände vorliegen“, die auf eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb (= Verstoß gegen berufsrechtliche Pflichten)hindeuten. An dem erforderlichen Gegenleistungsverhältnis zwischen Vorteil und Pflichtverletzung fehle es jedoch, „wenn sich die Pflichtverletzung des Nehmers in der Annahme des Vorteils erschöpft“.
Dr. Geiger verbucht die Äußerungen, wonach berufsrechtlich ausdrücklich erlaubtes Verhalten ohne das Hinzutreten weiterer Umstände zum Anlass strafrechtlicher Ermittlungen genommen werden soll, in der Kategorie „verantwortungsloses Säbelgerassel“. Die ärztliche Selbstverwaltung sollte das aber nicht dahingehend missverstehen, dass somit auch kein weiterer Regelungsbedarf bestehe.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht