Praxiskolumne Alle Hygienestandards wie vergessen

Kolumnen Autor: Dr. Cornelia Werner

Die Hygiene-Standards der Pandemie haben leider nicht überlebt. Die Hygiene-Standards der Pandemie haben leider nicht überlebt. © Milan – stock.adobe.com

Als positives Outcome der Pandemie hatte ich auf eine bessere Gesundheitsaufklärung gehofft. Echte Public Health. Also weniger Personen, die unübersehbar infektiös mit was auch immer unter Menschen gehen, mehr Hygienestandards wie Seife, Handtücher, Desinfektionsmittel auf Toiletten (wünschenswerterweise sogar auf Schultoiletten). 

Öffentliche Räume mit Luftreinigung und Klimaanlage. Denn COVID hin oder her – es gibt tausende Stoffe, die besser von HEPA-Filtern aus der Luft herausgefiltert werden als von Menschenlungen.

Aber leider war die Hoffnung vergeblich: Wo es sich früher gehörte, in Taschentücher oder Ellenbogen zu niesen, ist dieses Verhalten komplett vergessen. Das Beharren auf Desinformation über Gesundheitsschutzmaßnahmen hat dazu geführt, dass selbst auf onkologischen Stationen die Maskenquote sinkt. Einer meiner Patientinnen mit AML unter Chemotherapie hat man geraten, die Maske wegzulassen – um eine gewisse Normalität zu leben. Die Mär der „Immunschuld“ oder des „Isolationsschadens“ wird selbst von Helden in Weiß mit Professorentitel weiterverbreitet. Krankheit ist in manchen Kreisen quasi „in“. 

Es scheint, als drehe man die Uhr zurück, bis weit vor Ignaz Semmelweis (ungarisch-österreichischer Arzt, der sich mit Krankenhaushygiene auseinandersetzte, gestorben 1865). Athleten bei Olympia, deren Fitness ihr Kapital ist, ließ man in einer keimverseuchten Seine ihre Wettkämpfe austragen. Anschließend übergaben sie sich am Ufer, landeten im Krankenhaus oder fielen in weiteren Wettkämpfen aus. Die Medien erwähnten das kurz, Konsequenzen wurden nicht gezogen.

Viele Athleten erkrankten bei den Massenveranstaltungen auch an COVID. Da nicht mehr getestet wird und keine Maskenpflicht besteht, traten infektiöse Sportler an zu den körperlich anstrengendsten Disziplinen. Eine Läuferin kippte auf der Bahn um, blieb liegen. Das Feld lief ungerührt noch mal an ihr vorbei, während die Sanitäter sich um sie kümmerten. Eine Weitspringerin wurde mit deutlicher Luftnot nach COVID-Infektion im Rollstuhl aus dem Stadion gefahren, nachdem sie gerade Silber gewonnen hatte. Startblöcke blieben wegen Krankheit leer. Und parallel meldeten sich Sportler zu Wort, die nicht teilnehmen konnten, weil sie nach COVID nie ihre Form zurückgewonnen haben.

Zeitgleich hatten wir in Deutschland eine Hitzewelle, selbst in Krankenhäusern herrschten hohe Temperaturen und unsaubere Luft vor. Denn aufgrund unserer Tradition des Zu-Tode-Sparens des Gesundheitssektors hat man kein Interesse an Klima- und Luftreinigungsanlagen. Aktuell werden teuer angeschaffte Luftreinigungsanlagen in Schulen abgebaut, um Energie zu sparen.

Das Ganze bewegt sich in die falsche Richtung. Es fehlt an Aufklärung. Bei den neuen Ausbrüchen von Vogelgrippe und Mpox kursierten in manchen Medien wieder Falschmeldungen, die das Ganze als Folge von COVID-Impfung und bloße Gürtelrose abtun.

Meine Hoffnung wurde also enttäuscht. Und so warte ich weiter auf Hygieneaufklärung und Public Health in einer Welt, in der wir in Zukunft mehr pathogene Keime, Schadstoffe und einen bunteren Mix von Erkrankungen erwarten dürfen.