Praxiskolumne Sportlich, fair und bunt

Kolumnen Autor: Sebastian Alsleben

Verantwortung, besonders in unruhigen Zeiten, geht alle an - auch Ärzt:innen. Verantwortung, besonders in unruhigen Zeiten, geht alle an - auch Ärzt:innen. © kovop58 – stock.adobe.com

Als Ärztinnen und Ärzte sind wir täglich damit beschäftigt, die Gesundheit unserer Patienten zu erhalten oder zu verbessern. Doch unsere Verantwortung endet nicht an der Praxistür. 

In einer global vernetzten Welt müssen wir uns meiner Meinung nach auch in gesellschaftlichen und politischen Fragen positionieren. Gleich mehrere aktuelle Ereignisse in diesem Sommer gaben Anlass zum Nachdenken: die Europawahl, die Fußball-EM und die Olympischen Sommerspiele.

Spätestens seit der Europawahl müssen wir uns wieder damit beschäftigen, was es für unsere ärztliche Tätigkeit und für den medizinischen Sektor insgesamt bedeutet, wenn rechtspopulistische, rechtsextreme und antidemokratische Parteien an Einfluss gewinnen. Die EU hat schließlich für die nationalen Gesundheitswesen eine immense Bedeutung. Viele gesundheitspolitische Entscheidungen, die unseren Arbeitsalltag direkt beeinflussen, werden auf europäischer Ebene getroffen – seien es Regulierungen im Arzneimittelbereich, Fördergelder für medizinische Forschungs­projekte oder grenzüberschreitende Gesundheitsdienstleistungen.

Deshalb kann Medizin niemals unpolitisch sein. Als Ärztinnen und Ärzte tragen wir meiner Meinung nach sogar eine besondere Verantwortung, uns für die Demokratie einzusetzen. Mir bereitet der Rechtsruck in der gesamten EU daher große Sorgen. Ohne eine offene und vielfältige Gesellschaft kann unser Gesundheitssystem langfristig weder nachhaltig noch innovativ sein.

Einen Gegenentwurf zum Nationalstolz, wie er von Rechtspopulisten gerne beschworen wird, lieferte Julian Nagelsmann – ausgerechnet in einem internationalen Wettbewerb und nach einer Niederlage der deutschen Mannschaft. In seiner emotionalen Rede nach dem Heim-EM-Aus sprach er von einem „wunderschönen Land“ und rief zu mehr Einigkeit auf. Das klang patriotisch, ohne sich falsch anzufühlen. Es ist ja so: Man darf sich ruhig mal 
selbst auf die Schulter klopfen. Nur sollte man andere dabei nicht ausgrenzen und ihnen ihre Erfolge gönnen. ­Gerade in Krisensituationen scheint das Menschen schwerzufallen.

Auch die Olympischen Spiele sind nicht nur ein sportliches Großereignis, sondern gleichzeitig ein Symbol für Zusammenarbeit und Fairness. Sie sind bunt, vielfältig und verkörpern in ihren Grundzügen damit vieles, was wir uns für das gesellschaftliche Miteinander und die ärztliche Praxis auf die Fahnen schreiben sollten.

Die olympischen Werte Exzellenz, Freundschaft und Respekt bieten eine einmalige Gelegenheit, Gesundheitsinitiativen zu fördern. Studien zeigen, dass Programme zur Förderung von Sport und Bewegung die Gesundheit der Bevölkerung nachhaltig verbessern und zur Prävention von Krankheiten beitragen können. Als Ärztinnen und Ärzte sollten wir die vorübergehende Begeisterung für das Thema Sport nutzen – und zwar für die gesundheitliche Aufklärung. So können wir auch die Lebensqualität unserer Patientinnen und Patienten fördern.

Ein weiterer Vergleich mit den Olympischen Spielen sei zum Abschluss erlaubt: Gesellschaftliche, politische und auch gesundheitliche Fragen entscheiden sich nicht im 100-Meter-Sprint. Stattdessen sollte man sich eher auf einen Marathonlauf einstellen. Doch eines ist immerhin sicher: Wenn wir uns für Vielfalt, Demokratie und das Patientenwohl engagieren, gibt es keine Kehrseite der Medaille.