Kommentar Alternative Kleintierpraxis
Ein Hund kann nichts mehr bei sich behalten, was den Besitzer veranlasst, den Tierarzt aufzusuchen. Dieser führt eine körperliche Untersuchung durch, nimmt Blut ab und veranlasst ein paar Laborparameter. Heraus kommt dabei nichts. Nach Nulldiät und Nahrungsaufbau mit Zwieback ist die Fellnase bald wieder auf dem Damm. Zu berappen sind rund 400 Euro. Was hätten Sie Ihren Kassenpatienten in Rechnung gestellt?
Wenn bei einem Vierbeiner noch Nahrungsverweigerung, rapider Gewichtsverlust und erniedrigtes Cortisol hinzukommen, wird es richtig lukrativ. Könnte das Morbus Addison sein? Ultraschall, mehrstündige Infusionen, ACTH-Stimulationstest: Summa summarum fast 5.000 Euro. Wie soll Oma Müller das bezahlen? Die Tierkrankenversicherung übernimmt 500 Euro – einmal pro Jahr. Aber egal, das ist eine andere Geschichte.
Gut, ein bisschen dazu lernen müssten Sie vielleicht schon: Krallen schneiden, in Narkose legen, sterilisieren, einschläfern. Ihr neuer Job wäre ja durchaus fachübergreifend. Auch in Sachen Blickdiagnose könnte ein Crashkurs zu Fell und Federkleid nicht schaden. Die Krankengeschichte erheben Sie zukünftig stets per Fremdanamnese, was Vor- und Nachteile hat: Frauchen/Herrchen redet, der Patient schweigt – im besten Fall. Oder bellt, knurrt, beißt, uriniert ins Sprechzimmer.
Davon abgesehen könnten aber ein paar Knoten platzen: Die Suche nach geeignetem Praxispersonal gestaltet sich vermutlich weniger schwierig, Tierliebe ist bei jungen Menschen schließlich weit verbreitet. Auch der Smalltalk auf der nächsten Party nervt plötzlich nicht mehr, sondern lässt sich prima zur Akquise nutzen: „Ach, Du bist Tierärztin. Meinem Hansi gehen total die Federn aus, er guckt nicht mehr in seinen Spiegel und hockt den ganzen Tag betrübt in der Käfigecke. Kann ich mal vorbeikommen?“ Gerne doch.
Stefanie Menzel
Redakteurin Medizin