Einrichtungsbezogene Impfpflicht Anwalt reicht Verfassungsbeschwerde ein
Rechtsanwalt Markus Mingers aus Köln, dessen Spezialgebiet der Verbraucherschutz ist, hat eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gegen die beschlossene einrichtungsbezogene Impfpflicht im Gesundheitswesen eingereicht. Er sieht in der Gesetzesregelung einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der Bürger. Nach Ansicht des Juristen ist der Zwang zur Impfung nicht verhältnismäßig, um die damit verbundenen Ziele, insbesondere den Schutz vulnerabler Gruppen, zu erreichen.
Die Impfung sei schon aufgrund des Einstichs und der möglichen körperlichen Reaktion auf den Impfstoff ein nicht verfassungskonformer Eingriff, argumentiert Mingers. Als weitere tangierte, im Grundgesetz verankerte Grundrechte listet er u.a. auf: Verletzung der Menschenwürde, allgemeine Handlungsfreiheit, Recht auf informelle Selbstbestimmung, Gleichbehandlungsgrundsatz und das Recht auf freie Berufungsausübung.
Impfung schützt nicht vor der Ansteckung
Der Anwalt führt zudem an, dass beim medizinischen Personal die Impfquote mit 90,2 % (laut Robert Koch-Institut) deutlich über dem Bundesdurchschnitt liege, bei Ärzten mit 94 % sogar noch höher. Eine Impfung schütze erwiesenermaßen auch nicht vor der Ansteckung mit dem Coronavirus, also auch nicht vor der Übertragung der Viren auf andere Personen, die laut Gesetz durch die Impfung des Personals im Gesundheitswesen eigentlich besonders geschützt werden sollen. Für Mingers lassen widersprüchliche Zahlen über die Höhe der Infektionen, zur allgemeinen Impfquote sowie zur Belastung des Gesundheitswesens durch Coronainfektionen ebenso an einer Impfpflicht zweifeln.
Mingers ermuntert betroffene Bürger, sich seiner Verfassungsbeschwerde anzuschließen. Je mehr Mitstreiter, „desto größer ist der Druck auf Justiz und Politik“. Auch einen Befangenheitsantrag gegen den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Stephan Harbarth, hat Mingers gestellt. Er, der auch im Verfahren im Fall Wirecard und gegen VW aktiv ist, zeigt sich kämpferisch. Er unterstellt dem BVerfG-Präsidenten mit Blick auf einen abgelehnten Eilantrag, dass „seine Entscheidungen durch seine Nähe zur Politik nicht in allen Bereichen völlig unabhängig sind“. Es bleibe das Gefühl, dass hier auf Zeit gespielt werde, bis die Pandemie sich von selbst erledigt.
Es gab zuerst viel Kritik an fehlenden Vorgaben seitens des Bundes und zu wenig Zeit für die Vorbereitung der Impfpflichtumsetzung in den Gesundheitseinrichtungen. Der Widerstand einzelner Länder scheint sich inzwischen jedoch gelegt zu haben. Die Umsetzung ist auch in Planung, wenngleich mit einer tatsächlichen Praxiswirksamkeit wohl erst in einigen Monaten zu rechnen ist, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen.
Von einer pragmatischen Umsetzung mit Augenmaß spricht Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek. Die Kommunen und die Verbände im Gesundheitswesen seien entsprechend informiert. Die Einrichtungen sollen zunächst die noch ungeimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie vom Infektionsschutzgesetz vorgesehen bis zum 15. März den Gesundheitsämtern melden. Das betrifft auch Personen ohne gültigen Genesenenstatus bzw. ärztliches Attest zu medizinischer Kontraindikation.
Das Gesundheitsamt soll den Gemeldeten dann die Möglichkeit einräumen, eine Impfberatung wahrzunehmen und die Entscheidung zu überdenken. „Wir rechnen damit, dass aufgrund dieses gestuften Verfahrens eventuelle Betretungsverbote erst ab dem Sommer ausgesprochen werden können“, bemerkt jedoch der bayerische Gesundheitsminister. Einen Verfahrensablauf hat auch Brandenburg erarbeitet.
Laut Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher ist zur Umsetzung eine allgemeine Weisung an die Landkreise und kreisfreien Städte ergangen. Der Nachweis von Impfung, überstandener Erkrankung oder Kontraindikation ist seitens der Einrichtungen bis zum 15. März zu prüfen. Liegt ein Nachweis nicht vor, ist unverzüglich das Gesundheitsamt zu informieren. Dafür wird ein „Meldeportal § 20a IfSG“ zur Verfügung gestellt werden. Unverzüglich bedeutet, dass innerhalb von zwei Wochen zu melden ist. Das Gesundheitsamt wiederum hat dann drei Wochen Zeit, seinerseits einen entsprechenden Nachweis vom Betroffenen zu verlangen. Wird der Nachweis nicht erbracht, erfolgt eine erneute Aufforderung an den Ungeimpften inklusive der Aufklärung über die Konsequenzen einer Nichtvorlage des Impfnachweises. Auch auf die Möglichkeit der Impfung mit Novavax wird hingewiesen.
Betretungs- und Arbeitsverbot ist die letzte Option
Das Gesundheitsamt in Brandenburg muss zugleich eine mögliche Versorgungsgefährdung durch den Ausfall von Mitarbeitern im jeweiligen Bereich Pflege und Krankenhaus prüfen. Im Fall von Arzt- und Zahnarztpraxen sollen die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen Auskunft erteilen, ob der Ausfall einer Praxis kompensiert werden kann oder eine Gefährdung der Versorgungssicherheit vorliegt.
Bei möglicher Versorgungsgefährdung erhält die Einrichtung dann noch sechs Wochen Zeit, sich zu äußern. Danach erst sollen die Gesundheitsämter ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot anordnen können, sofern eine Person allen genannten Aufforderungen nicht nachkommt.
Nichtgeimpfte müssen aus jetziger Sicht jedenfalls nicht um ihren Arbeitsplatz fürchten, denn die Ämter lassen sich Zeit. Sollte Mingers mit seiner Beschwerde Erfolg haben, müsste die einrichtungsbezogene Impfpflicht neu thematisiert werden.
Medical-Tribune-Bericht