Einrichtungsbezogene Impfpflicht Haftungsrisiko durch ungeimpftes Personal?

Praxismanagement , Team Autor: Isabel Aulehla

Der Arzt ist im Streitfall unter Umständen verpflichtet, die Immunitätsnachweise seiner Mitarbeiter vorzulegen. Der Arzt ist im Streitfall unter Umständen verpflichtet, die Immunitätsnachweise seiner Mitarbeiter vorzulegen. © nmann77 – stock.adobe.com

Durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht könnten ab dem 16. März neue Haftungsfragen auf Praxisinhaber zukommen. Ein Rechtsgutachten wägt die Risiken ab.

Um mehr Klarheit bei der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht zu schaffen, hat der Berufsverband der niedergelassenen Diabetologen in Sachsen ein Rechtsgutachten erstellen lassen. Es geht unter anderem darauf ein, ob Ärzte haften müssen, wenn sich Patienten in ihrer Praxis wegen ungeimpften Personals mit dem Coronavirus infizieren. 

Rechtsanwalt Matthias Hein aus Leipzig betont, dass die Frage gesetzlich bislang nicht geregelt sei. Eine rechtliche Einordnung könne allein prognostisch auf Basis der bisherigen Gesetzeslage und der einschlägigen Rechtsprechung im Arzthaftungsrecht erfolgen. Er gibt jedoch zu bedenken, dass ärztliche Leistungen nach Facharztstandard erbracht werden müssen. Der Wortlaut des Infektionsschutzgesetzes lege nahe, dass die Weiterbeschäftigung ungeimpfter Mitarbeiter grundsätzlich als Unterschreitung dieses medizinischen Standards gewertet werden könnte. 

Behauptet ein Patient, er habe sich wegen ungeimpften Personals in der Praxis infiziert, könne der Arzt das zwar bestreiten. Ein Haftungsrisiko bleibe aber dennoch. Steht ein möglicher Hygienefehler im Raum, müsse der Arzt darlegen, welche Vorsorgemaßnahmen diesbezüglich getroffen wurden. Es sei daher anzunehmen, dass die Rechtsprechung den Arzt zunächst als verpflichtet ansehe, die Immunitätsnachweise der Mitarbeitenden vorzulegen. Sollten hierbei Mängel festgestellt und diese als grober Standardverstoß gewertet werden, trete eine Beweislastumkehr ein. In diesem Fall müsse der Arzt nachweisen, dass die Infektion nicht durch ungeimpftes Personal verursacht wurde, so Hein. 

Nach Meinung des Rechtsanwalts ist es problematisch, die Tätigkeit ungeimpfter Mitarbeiter grundsätzlich als groben Behandlungsfehler zu werten – unter anderem, weil sie getestet sein müssen. 

Risiko höher, wenn viele Angestellte ungeimpft sind

Die Wertung könnte auch davon abhängen, in welchem Umfang und in welchem Tätigkeitsbereich die Praxis gegen das Infektionsschutzgesetz verstoße. „Sicherlich würde ein Extremfall einer Praxis mit zahlreichen ungeimpften Mitarbeitern ab dem 16.3.2022 eine Wertung als grob fehlerhafte Standardunterschreitung nahelegen, während dies bei einzelnen Mitarbeitern und/oder unklaren Kontraindikationen argumentativ nur schwer begründet werden kann“, heißt es in dem Gutachten.

Beweiserleichterung für Patienten denkbar

Der Jurist weist darauf hin, dass Rechtsprechung existiere, nach der ein Arzt beispielsweise hafte, wenn sich in seinem Operationsteam eine mit Hepatitis infizierte Person befindet und sich dadurch ein Patient infiziert. In diesem Fall gelte eine Beweiserleichterung für die Patientenseite, weil die Vermeidung der Infektion dem „voll beherrschbaren Bereich“ zugeordnet wird.

Medical-Tribune-Bericht