Omikron-Welle Rüsten für den Personalnotstand

Niederlassung und Kooperation Autor: Isabel Aulehla

Notfallpläne für Personalengpässe, eine Ausweitung des Bereitschaftsdienstes und Infektsprechstunden am Wochenende: KVen und Praxen verfolgen verschiedene Ansätze, um das Infektionsgeschehen in den kommenden Wochen zu bewältigen. Notfallpläne für Personalengpässe, eine Ausweitung des Bereitschaftsdienstes und Infektsprechstunden am Wochenende: KVen und Praxen verfolgen verschiedene Ansätze, um das Infektionsgeschehen in den kommenden Wochen zu bewältigen. © peterschreiber.media – stock.adobe.com

Die Zahl der Coronainfektionen dürfte sich noch einmal überschlagen. Was bedeutet das für die Praxen? Ein Hausarzt, der wegen erkrankten Personals bereits auf Notbetrieb umstellen musste, berichtet.

Ein Drittel der Beschäftigten von Hausarzt Dr. Stefan Höhne ist derzeit an COVID-19 erkrankt – obwohl das ganze Team geboostert ist. „Wir hatten eigentlich gehofft, durch die Impfungen schon weiter zu sein“, meint er. An einem seiner Praxis­standorte, im brandenburgischen Zehdenick, ist nur noch die Versorgung akuter Fälle möglich. Alle Vorsorgeuntersuchungen und die Termine vieler chronisch kranker Patienten musste das Team verschieben. Andere Praxen können nicht helfen. „Die Situation ist überall die gleiche. Niemand ist in der Lage, Patienten zu übernehmen.“

Bei Dr. Höhne zeichnet sich ab, was in den nächsten Wochen aufgrund der Omikron-Mutation des Coronavirus bundesweit befürchtet wird: Da Personal erkrankt oder in Quarantäne muss, entstehen Lücken in der Versorgung. Die KV Niedersachsen fordert die Niedergelassenen bereits dazu auf, Notfallkonzepte für das Personal zu erarbeiten.

Notfallplan fürs Personal

Die KV Niedersachsen rät Niedergelassenen, Konzepte für Peronalengpässe zu erstellen. Bedacht werden sollen dabei etwa folgende Fragen:
  • Gibt es Mitarbeiter, die kurzfristig einspringen könnten?
  • Sind Schicht- oder Rotationskonzepte denkbar?
  • Können Urlaube verschoben werden?
  • Ist die Reaktivierung von Mitarbeitern in Rente möglich?
  • Welche Termine müssen verschoben werden, welche nicht?

In Baden-Württemberg bittet man Mediziner, auch an Wochenenden – finanziell geförderte – Infektsprechstunden anzubieten. „Wochenenddienste führen eher dazu, dass die Teams, die jetzt schon am Limit arbeiten, gar nicht mehr arbeitsfähig sind“, kommentiert Dr. Höhne.

Wochenendsprechstunde in Baden-Württemberg

Im Südwesten bekommen Corona-Schwerpunktpraxen für den besonderen Aufwand bei der Anamnese, Untersuchung und Behandlung von Patienten mit Verdacht auf COVID-19 einen Fallwertzuschlag von 15 Euro je Patient. Laut KV gilt die Regelung mindestens bis zum 31. März. Für die Sicherstellung der Versorgung von Infektpatienten an Wochenenden und Feiertagen erhalten Hausärzte und Corona-Schwerpunktpraxen eine Pauschale von 200 Euro für maximal vier Stunden pro Tag.

Bei ihm ist die Organisation des Praxisalltags nur noch auf Sicht möglich. „Wir achten darauf, dass sich die Arbeitslast auf alle Schultern gleichermaßen verteilt, aber es lässt sich manchmal nicht vermeiden, dass jemand mehr machen muss.“ Um den Andrang zu reduzieren, bittet er asymptomatische Patienten, die einen Corona-Abstrich möchten, sich an ein Testzentrum zu wenden. Er begrüßt es, dass nach den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz weniger Personen PCR-Tests bekommen sollen. Um die schwierige Situation zu erklären, sprechen er und sein Team die Patienten direkt an. Das habe sich bewährt, berichtet der Arzt. „Die meisten reagieren sehr verständnisvoll.“ Auch auf der Website informiert die Praxis über das reduzierte Angebot. Wie sich die Mitarbeitenden infiziert haben, ist unklar. Möglicherweise steckten sie sich über Familienmitglieder an. Aber auch eine Infektion durch asymptomatische Patienten in der Praxis schließt Dr. Höhne nicht aus. „Einige Leute erklären beim Blutdruckmessen nebenher, dass ihr Test morgens positiv war und es gut wäre, noch einen PCR-Abstrich zu machen.“ Seitens der KV spürt der Arzt bislang keine Unterstützung (Stand: 27.01.2022). Zwar teilte er der Körperschaft mit, dass er den klassischen Versorgungsauftrag derzeit nicht erfüllen könne. Doch eine Rückmeldung habe er nicht erhalten, berichtet er. Von der Politik fühlt er sich ebenfalls im Stich gelassen. Seit Pandemiebeginn würden die Kliniken im Fokus stehen, an die Niedergelassenen werde selten gedacht. „In den Expertenrat der Bundesregierung müsste dringend auch ein Hausarzt.“ Zudem überschatte die Sorge um COVID-19 das Auftreten von Infarkten oder Krebserkrankungen, die nicht rechtzeitig behandelt würden. Ein Patient habe beispielsweise mit herabhängendem Mundwinkel an der Anmeldung gestanden und berichtet, dass er sich die letzten drei Wochen nicht in die Praxis getraut habe, weil es zu voll gewesen sei. Auch das Aufgabenspektrum des Arztes habe sich verändert. „Ich bin kein Allgemeinmediziner mehr, sondern Infektionsarzt. Ich mache vorrangig Abstriche.“ Um die Hausärzte in den kommenden Wochen etwas zu entlasten, haben viele KVen den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der 116 117 aufgestockt. In Bayern soll dieser notfalls auch während der Regelöffnungszeiten der Praxen aktiv werden. Der Deutsche Hausärzteverband fordert die Politik derweil auf, die Bürokratie in den Praxen zu reduzieren. Es gebe allein über 30 Ziffern zur Dokumentation und Abrechnung von Impfungen. Das Team von Dr. Höhne geht nun erstmal in den regulären Praxis­urlaub. Danach könnte das Personal wieder fit sein, hofft der Mediziner. Er vermutet, dass die Omikron-Welle weite Teile der Bevölkerung betreffen wird und möglicherweise zur Herdenimmunität führt. „Dann können wir uns vielleicht wieder anderen Themen zuwenden.“

Medical-Tribune-Bericht

Dr. Stefan Höhne, Hausarzt in Zehdenick und Wandlitz Dr. Stefan Höhne, Hausarzt in Zehdenick und Wandlitz © privat