Impfpflicht Alle Mitarbeiter gegen Corona immunisiert?
Für wen gilt die Impfpflicht?
Prof. Dr. Dr. Alexander Ehlers: Das Infektionsschutzgesetz sieht vor, dass alle Beschäftigten in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen bis zum 15. März zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises verpflichtet sind. Dabei ist nicht relevant, welche Tätigkeit in den Einrichtungen konkret ausgeübt wird. Betroffen ist sowohl das medizinische Personal, Verwaltungskräfte als auch sonstige Beschäftigte, wie Küchen-, Transport- und Reinigungspersonal. Es kommt mithin darauf an, dass ein Rechtsverhältnis zwischen Unternehmen und der beschäftigten Person besteht. Ist eine Impfung aus medizinischer Sicht kontraindiziert, sind die Beschäftigten selbstverständlich nicht zur Vorlage eines Immunitätsnachweises verpflichtet.
Relativ breites Ermessen besteht hinsichtlich der Dauer der in den Einrichtungen ausgeübten Tätigkeit. Aus der Erläuterung in der Gesetzesbegründung („nicht nur zeitlich ganz vorübergehend“, „nicht nur jeweils wenige Minuten“) lässt sich schlussfolgern, dass nicht jede Tätigkeit der Nachweispflicht unterliegt. So ist eine Lieferung von Reinigungsmaterial oder das Überbringen von Korrespondenz nicht vom Gesetz erfasst.
Man kann allerdings davon ausgehen, dass grundsätzlich jede physische Anwesenheit vom gesetzlichen Tatbestand erfasst wird. Beschäftigte in ausgegliederten Verwaltungs- oder Laboreinrichtungen unterliegen damit nicht der Pflicht zum Immunitätsnachweis, sehr wohl allerdings Handwerker, wie Elektriker oder Installateure.
Länder fordern Übergangszeit
Welche Pflichten kommen nun auf Arbeitgeber zu?
Prof. Ehlers: Der Praxisinhaber ist zunächst nur dazu verpflichtet, den Immunitätsnachweis entgegenzunehmen und zu kontrollieren. Der Umfang der Kontrollpflicht sollte auf eine normalerweise zu erwartende Sorgfalt beschränkt sein. Diese beinhaltet die Prüfung, ob die Impfung mit einem vom Paul-Ehrlich-Institut genannten Impfstoff erfolgt ist und die Person vollständig immunisiert ist. Eine vollständige Immunisierung ist laut Gesetzgeber bis zum 15. März möglich. Erst wenn bis dann kein Immunitätsnachweis vorgelegt wird oder Zweifel an der Richtigkeit auftreten, ist der Arbeitgeber verpflichtet, das zuständige Gesundheitsamt zu unterrichten. Andernfalls droht ein Bußgeld.Was droht Beschäftigten, die keinen Nachweis vorlegen?
Prof. Ehlers: Bei den Rechtsfolgen bestehen im Gesetz noch einige Lücken. Die fehlende Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises durch den Arbeitnehmer hat keinerlei unmittelbare rechtliche Konsequenzen. Es handelt sich für den Beschäftigten zunächst um eine „lex imperfecta“. Allerdings stellt die Nachweispflicht eine Nebenpflicht des Arbeitsverhältnisses dar. Der Arbeitgeber kann demzufolge auffordern und abmahnen und schließlich auch eine Kündigung aussprechen.Welche Schritte leitet das Gesundheitsamt ein?
Prof. Ehlers: Übermittelt der Arbeitgeber die Daten der Beschäftigten, die keinen Immunitätsnachweis erbracht haben, beginnt ein zweistufiges Verwaltungsverfahren. Zunächst können die Behörden erneut zur Übermittlung des Immunitätsnachweises auffordern. Legt die betroffene Person einen solchen nicht vor oder ergibt eine ärztliche Untersuchung, dass keine Immunität vorliegt und auch keine Kontraindikationen gegen eine Impfung bestehen, „kann“ das Gesundheitsamt über ein Betretungsverbot oder Tätigkeitsverbot in der Einrichtung entscheiden. Davon zu unterscheiden sind mögliche strafrechtliche Konsequenzen bei der Verwendung von gefälschten Immunitätsnachweisen.Zulassung in Gefahr?
Was ist bei Einstellungen ab dem 16. März zu beachten?
Prof. Ehlers: Beginnt ein Beschäftigtenverhältnis erst ab 16. März, muss vor Antritt der Tätigkeit ein Immunitätsnachweis erbracht werden. Vorher darf die Tätigkeit nicht aufgenommen werden. Eine Zuwiderhandlung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Verliert eine bereits beschäftigte Person nach dem 16. März ihren Immunitätsnachweis aufgrund zeitlichen Ablaufs, muss diese einen solchen innerhalb eines Monats nachreichen. Macht sie dies nicht, kann auch hier in letzter Konsequenz ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot ausgesprochen werden.Für wie umsetzbar halten Sie die neuen Regeln?
Prof. Ehlers: Zur praktischen Umsetzbarkeit der Regelungen bestehen derzeit noch Zweifel. Der mit dem Gesetz einhergehende Verwaltungsaufwand trifft vor allem die lokalen Behörden. Diese sind allerdings weiterhin mit Kontaktnachverfolgung, Kontrolle von Quarantäne und Förderung der lokalen Impfung beschäftigt. Es zeichnet sich bereits ab, dass das zweistufige Verwaltungsverfahren, das erst am Ende zu Betretungs- oder Tätigkeitsverboten führen kann, unmittelbar nach dem 16. März vermutlich nicht durchgeführt werden wird.Was halten Sie von der Impfpflicht für Praxisteams?
Prof. Ehlers: Insgesamt handelt es sich um eine zu begrüßende Regelung. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers im Allgemeinen wird in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sowie den Arztpraxen um die Fürsorgepflicht, die das Gesundheitspersonal gegenüber den von ihnen betreuten Personen hat, ergänzt. Die Vulnerabilität der betreuten Personen rechtfertigt mithin hinreichend, dass das Gesundheitswesen als erster Sektor der Pflicht zum Immunitätsnachweis unterliegt. Schließlich dient das Funktionieren des Gesundheitssystems der Sicherstellung der öffentlichen Gesundheit und bildet den Grundstock für die Rückkehr in die Normalität.Medical-Tribune-Interview