Beatmungspatienten protestieren gegen Intensivpflege-Stärkungsgesetz
Mitte August legte Gesundheitsminister Jens Spahn seinen Entwurf für ein Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz vor. Neben einem leichteren Zugang für Patienten zu Rehabilitationsmaßnahmen sehen die Pläne vor allem Änderungen im Bereich der außerklinischen Intensivpflege vor.
Betroffene fürchten um ihre Selbstständigkeit
Demnach sollen Krankenhäuser durch Abschläge angehalten werden, bei Beatmungspatienten eine eventuelle Entwöhnung zu veranlassen. Zudem ist vorgesehen, dass die außerklinische Intensivpflege in der Regel nur noch in stationären Pflegeeinrichtungen und spezialisierten Wohneinheiten erbracht wird. Entsprechend dürften Beatmungspatienten ohne Ausnahmegenehmigung nicht mehr zu Hause versorgt werden.
Diese Pläne lösen bei Betroffenen und deren Angehörigen starke Proteste aus. Über 110 000 Personen haben bereits eine Online-Petition des Vereins ALS-mobil e.V. unterzeichnet, die nun dem Ministerium übergeben wurde. Viele der unterzeichnenden Beatmungspatienten werden zu Hause von Familien und Pflegediensten betreut, führen darüber hinaus aber ein eigenständiges Leben. Durch die Gesetzespläne fürchten sie nun, zukünftig in Pflegeeinrichtungen leben zu müssen und dadurch ihre Selbstständigkeit zu verlieren.
Entwöhnung in spezialisierten Zentren Erfolg versprechend
„Für mich bedeutet so eine Gesetzesänderung, falls sie wirksam wird, dass ich mich gegen eine Beatmung entscheide. Ich verspreche, ich werde lieber laut sterben, als still und leise im Pflegeheim dahinzusiechen“, schreibt eine junge Beatmungspatientin.
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und der Verband pneumologischer Kliniken begrüßen dagegen den Gesetzesentwurf und fordern eine schnelle Umsetzung. „Viele der Patienten werden von Intensivstationen in die Langzeitbeatmung entlassen, ohne dass eine Entwöhnbarkeit vom Beatmungsgerät ausreichend überprüft wurde“, sagt Professor Dr. Michael Pfeifer, Präsident der DGP. „Das führt dazu, dass viele Patienten nach Entlassung außerklinisch weiter beatmet werden, teilweise ohne ausreichende Betreuung durch entsprechend ausgebildete Ärzte.“
Dabei sei die Entwöhnung in spezialisierten Zentren vielversprechend – zwei Drittel der Patienten könnten erfolgreich entwöhnt werden. Damit steige auch die Lebensqualität der Patienten. Die Pläne zur Abschaffung der Eins-zu-Eins-Versorgung zu Hause sieht die DGP allerdings ebenfalls kritisch. Auch die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin begrüßt in Übereinstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin den Gesetzesentwurf. Sie wünscht, an der Ausarbeitung beteiligt zu werden. Vor allem fordert sie, die „gut funktionierende individuelle Pflege im häuslichen Umfeld, insbesondere bei neuromuskulären Erkrankungen im Kindesalter mit Transition in den Erwachsenenbereich“, explizit als Ausnahme zu unterstützen.
Rückmeldung ist wichtig für Verbesserungen
Spahn wies beim Tag der offenen Tür im Ministerium darauf hin, dass ein Gesetz bei Verabschiedung selten genau so aussehe, wie es ursprünglich im Entwurf aussah. Es sei wichtig, dass er viele Rückmeldungen erhalte – so könne der Entwurf verbessert werden. Bei einem Interview im ARD-Morgenmagazin betonte er, in dem Gesetzesentwurf gehe es nicht um diejenigen, die am sozialen Leben teilnehmen könnten. „Es geht um diejenigen, die 24 Stunden sieben Tage die Woche Intensivpflege brauchen und in der Regel nicht selbst entscheiden, wo sie denn gepflegt werden – Wachkomapatienten zum Beispiel“, erklärte Spahn.