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Berufspolitik „Beim Netzwerken haben wir Frauen viel Nachholbedarf“

Autor: Nicole Finkenauer, Jochen Schlabing

Die Diabetologin Dr. Iris Dötsch führt die „Diabetologische Schwerpunktpraxis am Kurfürstendamm“ in Berlin und ist stellv. Vorsitzende des BVND. Und sie hat im März 2023 das Netzwerk „Hauptstadtdiabetologinnen“ ins Leben gerufen. Die Diabetologin Dr. Iris Dötsch führt die „Diabetologische Schwerpunktpraxis am Kurfürstendamm“ in Berlin und ist stellv. Vorsitzende des BVND. Und sie hat im März 2023 das Netzwerk „Hauptstadtdiabetologinnen“ ins Leben gerufen. © Salsabila Ariadina – stock.adobe.com / BVND
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Die Diabetologin Dr. Iris Dötsch hat die „Hauptstadt­diabetologinnen“ gegründet, ein Netzwerk für Frauen in der ­Diabetologie. Warum sie das getan hat, was das Netzwerk plant und was bereits angestoßen wurde, erzählt sie im Interview.

Die Diabetologie wird immer weiblicher – man denke nur an die Tagungspräsidentinnen der Herbsttagung, die Professorinnen Dr. Diana Rubin und Dr. Dr. Anja Bosy-Westphal, und an DDG Vizepräsidentin Professor Dr. Julia Szendrödi. Dr. Iris Dötsch selbst ist stellvertretende BVND-Vorsitzende. Braucht es also überhaupt noch ein Netzwerk nur für Frauen?

Frau Dr. Dötsch, der BVND hat beschlossen, seinen Namen zu ändern – von Bundesverband der niedergelassenen Diabetologen zu Bundesverband der niedergelassenen Diabetologie. Wie kam es dazu? 

Dr. Dötsch: Ich habe einen Antrag auf eine Umbenennung gestellt und habe mich sehr gefreut, dass viele Kolleginnen und Kollegen dem gefolgt sind. Sie haben gesehen und verstanden, dass die Diabetologie weiblicher wird und dass sich in dem Namen „Berufsverband der niedergelassenen Diabetologen” Frauen nicht unbedingt wiederfinden. Meine Tochter ist Medizinstudentin und sie kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass im Namen von Berufsverbänden nur die maskuline Form vorkommt. Ich möchte nicht verhehlen, dass es auch bei uns im Verband Diskussionen gab, aber es gab eine breite Mehrheit, die gesagt hat: Ja, es ist richtig und auch zeitgemäß, den Berufsverband umzubenennen. Wir wollen, dass sich alle Kolleginnen und Kollegen wiederfinden können, ob weiblich, männlich, divers. Wir sind ein Berufsverband für alle und das spiegelt sich nun auch im Namen besser wider. Das wird übrigens auch von den Studierenden gefordert. 

Was macht es für Frauen attraktiv, in der Diabetologie zu arbeiten?

Dr. Dötsch: Erst einmal: Die Diabetologie ist ein wunderbares Fach. In der Diabetologie können Sie sich als Internistin und als Allgemeinmedizinerin ausleben. Sie müssen ein sehr, sehr gutes medizinisches Wissen haben. Sie müssen erfahren sein. Sie haben die ganze Bandbreite der Inneren Medizin. Sie haben junge Menschen mit Typ-1-Diabetes, sie haben alte Menschen, sie arbeiten intensiv mit der Sprechenden Medizin. Und das wird uns Frauen ja oft zugesprochen, dass Empathie und die Sprechende Medizin zu unseren besonderen Stärken zählen. 

Warum ist ein Netzwerk wie die Hauptstadtdiabetologinnen nötig? Was sind Ihre Ziele? 

Dr. Dötsch: Ein solches Netzwerk ist ein langgehegter Wunsch von mir. Ich bin seit 17 Jahren niedergelassen und seit ca. zehn Jahren berufspolitisch interessiert und engagiert. Mir ist immer wieder aufgefallen: Ob es Kommissionen sind, die Vertreterversammlung, vielleicht auch der Spitzenverband der Fachärzte – es ist doch sehr „männerlastig” um mich herum. Da fehlen mir die Frauen! Außerdem habe ich beobachtet, dass Netzwerke immer gut sind und dass wir Frauen da ganz viel Nachholbedarf haben. Dass der Wunsch nach einem Frauennetzwerk besteht, wurde immer wieder deutlich – auch in Gesprächen mit Studierenden, wir sind ja auch Lehrpraxis der Charité. Ich kann im Rückblick sagen, mir hat ein Netzwerk gefehlt, als ich mich niedergelassen habe. Gerade auch, weil ich aus dem Rhein-Main-Gebiet komme und es für mich schwierig war, in bestehende Netzwerke reinzukommen. 

Das habe ich mir anders gewünscht. Ein Netzwerk für Frauen finde ich wichtig, weil ich selbst berufstätige Mutter bin und weiß, dass Frauen oft andere Bedürfnisse, andere Rahmenbedingungen haben, Stichwort Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im Medizinstudium und generell in medizinischen Berufen sind Frauen ja sogar in der Mehrheit. Aber warum kommen so wenige in hohe Positionen? Liegt das an den Frauen? An den Institutionen? An den Bedingungen? Es ist mir schon lange ein Anliegen, hier aktiv zu werden. Die Idee mit dem Frauennetz ist schon ganz, ganz lange in meinem Kopf, aber bis zur Geburtsstunde der Hauptstadtdiabetologinnen hat es bis März dieses Jahres gedauert. Unsere Ziele sind neben dem Vernetzen und Austauschen Mentoring und Coaching, aber auch Schwerpunktthemen wie die Gendermedizin – hierzu ist schon eine Veranstaltung geplant – und die lösungsorientierte Zusammenarbeit mit der Industrie in Sachen Interoperabilität, die wir schon gestartet haben. 

Die Frage muss kommen: Was halten Sie von einer Quote?  

Dr. Dötsch: Ich denke, dass sich Dinge manchmal einfach schneller verändern, wenn ein Impuls von außen kommt und eine Quote gesetzt wird. Aber ich merke auch, dass ich  ganz viel Unterstützung von meinen männlichen Kollegen bekomme und dass sich die Sichtweise in den letzten Jahren sehr, sehr verändert hat. 

Nach zwei Treffen sind schon 45 Frauen im Netzwerk dabei. Sind das alles Ärztinnen oder gibt es auch andere Berufsgruppen?  

Dr. Dötsch: Es ist mein Wunsch, dass sich das Netzwerk mittelfristig noch mehr öffnet. In der Anfangsphase ist es gut so, wie es ist – und unser Netzwerk wächst ja stetig. Es sind Frauen aus verschiedenen Bereichen dabei: Chefärztinnen, Frauen aus der DDG und aus anderen Institutionen, Frauen verschiedener Altersgruppen, auch junge Frauen, die sich gerade erst niedergelassen haben oder noch in der Ausbildung zur Diabetologin sind. Wir möchten wachsen und niemanden ausschließen. Aber das Netzwerk muss auch eine gewisse Intimität und Vertrautheit haben, in der Ideen willkommen sind und sich entwickeln können. Meine Vision, wenn ich groß denken darf, ist, dass sich Frauennetzwerke in der Dia­betologie aus der Hauptstadt in die ganze Republik ausbreiten. 

Sie hatten schon Anfragen aus anderen Bundesländern. Gibt es dort bereits ähnliche Gruppierungen oder sind Sie in Berlin die Vorreiterinnen? 

Dr. Dötsch: Nach meiner Kenntnis gibt es keine weiteren Gruppierungen dieser Art. Aber das Thema stößt auf großes Interesse: Ich hatte die Möglichkeit, mit Bundesfamilienministerin Paus zu sprechen, und konnte ihr unser Netzwerk vorstellen. Sie fand es gleich interessant und hat uns einen Besuch angekündigt. 

Sie haben im August mit BVND-Vorstandskolleginnen an der KBV-Krisensitzung teilgenommen – Stichwort #Praxenkollaps. Worum ging es?  

Dr. Dötsch: Das war eine sehr gute Veranstaltung und wir konnten den BVND gut repräsentieren. Es geht vor allem darum, eine tragfähige Finanzierung der ambulanten Medizin zu erreichen. Es geht um die Abschaffung von Budgets. Es geht um eine Unterstützung der Ambulantisierung – Minister Lauterbach fokussiert sich ja sehr auf die Kliniken. Es geht um eine sinnvolle Digitalisierung, um weniger Bürokratie, um Weiterbildung in den Praxen, um mehr Zeit für Patientinnen und Patienten und um drohene Regresse. Warum muss ich für eine leitliniengerechte Medikation teilweise mit meinem privaten Vermögen geradestehen? Ich würde jedem Politiker, jeder Politikerin raten, sich an einem Tag wie heute mal in eine Praxis zu setzen und zu schauen, was wir hier leisten. Und wir kämpfen ja. Wir haben noch nicht aufgegeben.

Neugierig auf die komplette Podcast-Folge? 

Dann hören Sie sich die Folge mit Dr. Iris Dötsch ab 22. November in voller Länge an und erfahren Sie mehr über Frauen in der Diabetologie und die Angst der jungen Ärzt*innen vor der Niederlassung.  Zugriff auf alle Folgen haben Sie auf medical-tribune.de und auf allen gängigen Podcast-Plattformen.

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