Bestattungsrecht stoppt privates Lernen an Leichen
Eine anonyme Anzeige eröffnete 2017 den Fall. Anlass war die Verwendung von Knochen und Schädelteilen in Form von Trockenpräparaten sowie diverser Nasspräparate. Nach einem Ortstermin mit Polizei- und Justizbeamten sowie Mitarbeitern des Bezirksamtes Reinickendorf war 2017 gegen die „Prometheus Akademie“ eine Unterlassungsverfügung ausgesprochen worden – mit einem angedrohten Zwangsgeld von 10 000 Euro bei Zuwiderhandlung. 28 Exponate wurden beschlagnahmt, allesamt aus den USA ohne Beanstandung durch den deutschen Zoll importiert.
Die Tageszeitung B.Z.-Berlin berichtete von „zwei Wannen voller Leichenteile“, die Polizisten aus der Akademie getragen haben sollen. Der Einrichtung wurde vorgeworfen, Leichen ohne Genehmigung durch das Bestattungsgesetz zur Schau zu stellen. Dass laut Akademie ausreichende Einwilligungsverfügungen der Körperspender vorlagen, änderte daran nichts.
An Präparaten Skelett und Muskeln angeschaut
Die Akademie klagte gegen die Auflagen. Die Präparate dienten Lehr- und Forschungszwecken, was zulässig sei, betonte ihr Rechtsanwalt nochmals vor dem Verwaltungsgericht. Zumindest hätte das Bezirksamt die Möglichkeit gehabt, eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Exponate wurden im Kurs „Vorsemester Medizin“ eingesetzt, den im Schnitt 300 angehende Medizinstudenten besuchen, und im Kurs „Praktikum invasive Techniken der Notfallmedizin“, bei dem Ärzte zu besonderen medizinischen Notfällen geschult werden. „Wir haben uns in acht Gruppen mit jeweils ungefähr 15 Studenten an menschlichen Präparaten das Skelett und die Muskeln angeschaut“, berichtete eine Teilnehmerin in einem Blog.
Der Richter wies die Klage der Akademie gegen die Unterlassungsverfügung mit Hinweis auf § 14 des Berliner Bestattungsgesetzes (BestattG BE) ab. Hier heißt es: „Leichen dürfen nicht öffentlich ausgestellt werden.“ Zudem erkannte er die Akademie nicht als anatomisches Institut nach § 14 Abs. 2 BestattG BE an, was eine Ausnahmegenehmigung hätte bringen können (VG 21 K 957.17).
Ähnliche Probleme wie bei Gunther von Hagens
Das Urteil erinnert an einen 2015 vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin verhandelten Fall. Im Fokus stand die Ausstellung „Menschen Museum“ am Alexanderplatz. Die Kontrahenten hier: Leichenplastinator Gunther von Hagens und das Bezirksamt Berlin-Mitte. Strittig war sowohl die Erforderlichkeit einer bestattungsrechtlichen Genehmigung für eine Dauerausstellung der per Plastinationstechnik hergestellten menschlichen Ganzkörper- und Teilpräparate als auch bei einigen Plastinaten die nachzuweisende Leichenherkunft. Laut OVG-Urteil (Az.: 12 B 2.15) fallen die plastinierten Ausstellungsstücke unter den Begriff der Leiche im Sinne des BestattG BE und unterliegen damit dem Ausstellungsverbot.
Die Betreiberin konnte sich nicht auf Wissenschaftsfreiheit oder Informationsinteresse der Besucher berufen; vielmehr müsse das Bezirksamt aufgrund der grundrechtlich geschützten postmortalen Menschenwürde seine Schutzpflicht gegenüber den Verstorbenen erfüllen. Auch sah das OVG den Identitätsnachweis von Verstorbenen als lückenhaft an. Die Schließung des Museums wurde später durch einen Vergleich verhindert. Vereinbart wurde, dass vor Ausstellung der Plastinate die Herkunft der Leichen nachgewiesen wird.
Medical-Tribune-Bericht