Corona-Impfung: KBV kritisiert Organisation der Länder
Bundesweit ärgern sich viele Bürger, dass sie über die Hotline 116 117 keine Impftermine erhalten. Von langen Wartezeiten und unergiebigen Telefonaten wird berichtet. Dass dies am KV-Service liegt, weist KBV-Chef Dr. Andreas Gassen von sich: „Die Probleme entstehen bei der Weiterleitung auf die Landesebene, wenn dort die Callcenter-Kapazität nicht ausreicht.“ Bei einem Impfaufruf an alle Bürger eines Bundeslandes über 80 Jahre, die dann spontan nachfragten, ginge jede Leitung in die Knie.
Aktuell würden für die 116 117 16 000 Leitungen vorgehalten, Ende Februar sollen es bis zu 40 000 sein. Riefen aber Millionen Menschen eng getaktet an, sei das auch damit nicht zu leisten. In der Spitze habe es bereits über eine Million Anrufe pro Tag gegeben. Dr. Gassen richtete deshalb gemeinsam mit KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister an die Länder den Appell, angesichts der erst nach und nach eintreffenden Impfdosen „in irgendeiner Form Ordnung ins Impfen“ zu bringen. Die 16 Länder sollten dies abgestimmt machen, es gebe zurzeit sehr viele unterschiedliche Vorgehensweisen.
Über eine Impfpflicht zu diskutieren, ist derzeit albern
Dr. Hofmeister rechnete vor, dass bei etwa 5,7 Mio. Menschen über 80 Jahre und ihren Pflegern etwa 6 Mio. Impfdosen benötigt werden und noch einmal genauso viele für die Nachimpfung. Nach Auskunft der Bundesregierungen würden diese 12 Mio. Impfdosen aber erst Ende März verfügbar sein. Eine generelle Aufforderung an alle, sich Impftermine geben zu lassen sei deshalb zurzeit nicht zielführend. Besser sei, in Kohorten aufzurufen. Außerdem sollten die Bürger zur Online-Terminbuchung aufgefordert werden.
Zuversichtlich äußerte sich der stellvertretende KBV-Vorsitzende in Bezug auf das Impfen in Arztpraxen. Dort sei Impfen Routine. Jeden Winter würden schließlich durchschnittlich 20 bis 25 Mio. Influenza-Impfungen „ohne großes Geräusch“ verabreicht. „Wir könnten morgen anfangen“, so Dr. Hofmeister – aber nur, wenn praxistauglicher Impfstoff in ausreichender Menge verfügbar und der Nachschub gesichert sei. „Die größte Katastrophe wäre, dass jeder Arzt mit zwei Dosen dasteht, während die Patienten ihm die Tür einrennen“, sagte Dr. Hofmeister.
Über die Praxen könnten bei entsprechenden Voraussetzungen pro Tag eine Million Corona-Impflinge erreicht werden, zeigte sich der KBV-Vize überzeugt. Das dezentrale Angebot verhindere auch, dass sich viele Menschen in den öffentlichen Personennahverkehr drängten und Schlange stünden – wie im Fall der Impfzentren.
Es sollten übrigens alle Praxen mit Routine impfen können. Beim Pathologen oder Neurochirurgen sei das nicht zwingend anzusiedeln. Auch Kinderärzte seien noch nicht betroffen. Aber bei anderen wie HNO-Ärzten, Gynäkologen oder Urologen bestehe große Bereitschaft.
Auf die Frage, ob es eine Impfpflicht für Ärzte und ihr Personal geben solle, meinte Dr. Gassen: „In der aktuellen Situation, wo es in den nächsten Wochen noch nicht einmal für zehn Millionen der Bevölkerung Impfstoff gibt, ist es geradezu albern, von einer Impfpflicht zu sprechen.“ Die Impfbereitschaft bei ärztlichem und pflegerischem Personal schätzt er als hoch ein. „Eine gute Durchimpfung ist sicherlich hinzubekommen.“
Man müsse die Menschen aber besser informieren über die neuartigen Impfstoffe. Dies könne das Paul-Ehrlich-Institut übernehmen, vielleicht in Form der Beantwortung der häufigsten Fragen (FAQ). Auch müsse auf Sorgen, Nöte und Ungewissheiten eingegangen werden. Diese könne man aber sicherlich vernünftig ausräumen.
Dr. Gassen denkt auch an die Macht des Faktischen: Wenn es dazu kommt, dass Menschen, die nicht geimpft sind, von bestimmten Aktivitäten, wie etwa der Einreise in einzelne Länder, ausgeschlossen würden, werde mancher seine Nicht-Impfung nochmals überdenken. „Aber ständig neue Pflichten und Vorschriften? Hier haben offensichtlich Einzelpersonen eine große Lust daran, in alle Lebensbereiche mit Regeln einzugreifen“, so der KBV-Chef.
Medical-Tribune-Bericht