Mit Tests und Coronaimpfungen motivieren – Hausärzte erhalten endlich mehr Aufmerksamkeit

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Das ständige Beschwören von Katastrophen macht krank oder stumpft ab. Kommunikation und Aufklärung können helfen. Das ständige Beschwören von Katastrophen macht krank oder stumpft ab. Kommunikation und Aufklärung können helfen. © Marina Zlochin – stock.adobe.com

Der Hausärzteverband fordert mehr Impfstoffdosen für die Praxen und eine unbürokratische Handhabung. Ihn wurmt es, dass die Allgemeinärzte, anders als Virologen, Epidemiologen und Intensivmediziner, bei bundespolitischen Pandemieentscheidungen wenig Gehör finden.

Schon 2020 „hatten wir unsere Expertise fast wie Sauerbier anbieten müssen, der Verband wurde nicht in die Beratungs- und Entscheidungsgremien einbezogen, jedenfalls nicht im Bund, in einigen Bundesländern war das anders“, stellt Ulrich Weigeldt, Chef des Deutschen Hausärzteverbandes, ins vergangene Coronajahr zurückblickend fest. Jetzt sind die Hausärzte aber mit der Impfung in die Position des „Gamechangers“ gekommen. Und dafür fordert der Verband politische Unterstützung ein.

Das betrifft vor allem die Ausstattung mit viel mehr Impfstoffdosen, wobei klar ist, dass auch die Vakzine von AstraZeneca unters Volk gebracht werden muss, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Die Impfzentren sollten jedenfalls nicht länger bei der Belieferung privilegiert werden. Die Bürokratie, etwa bei der Priorisierung und dem künftigen Impfnachweis, sei zu minimieren.

In seiner Rede zur Lage kritisierte der Bundesvorsitzende, die „Angstkommunikation, die eine Katastrophe nach der anderen heraufbeschwört“. So etwas mache Menschen auf Dauer entweder krank oder stumpfe ab. Besser sei es, mit Impfungen und Tests zu motivieren. Diese ermöglichten es auch, andere Wege als die bisherigen zu gehen.

Auch die Folgen reduzierter Kontakte beachten

„Wir sehen die Not durch Existenz­ängste und reduzierte Kontakte, die in der Welt der Virologen, Modellierer und epidemiologischen Super-Spezialisten scheinbar kaum eine Rolle zu spielen scheint“, so Weigeldt. Viele Kinder verlören entscheidende Jahre in ihrer Entwicklung. Menschen in Seniorenwohneinrichtungen müssten nach wie vor nahezu isoliert leben, obwohl sie alle, einschließlich der Pflegekräfte, vollständig geimpft seien. Das sei „unmenschlich und inakzeptabel“.

Weigeldt äußerte die Sorge, dass die gesundheitlichen Belange außerhalb der Pandemie – wie chronische Erkrankungen, Bewegung und Amateursport – nicht mehr ausreichend Berücksichtigung finden. Die Sieben-Tage-Inzidenz sei sicherlich ein wesentlicher Indikator zur Einschätzung der Pandemie, aber längst nicht der einzige.

Viel zu lange sei eine Rücknahme von Einschränkungen für Geimpfte und Genesene mit der vagen Gefahr möglicher Ansteckungen begründet worden. Indem immer wieder öffentlich die Impfeffekte angezweifelt würden, riskiere man den Impferfolg, „weil dann – scheinbar zu Recht – der Nutzen der Impfkampagne infrage gestellt werden kann“. Durch diese Art der Kommunikation schwinde das Vertrauen in die Politik weiter.

Strategiebestimmung für die Digitalisierung

Weigeldt verkniff sich nicht einen Seitenhieb in Richtung Jens Spahn: Die Ausgangssperre wirke in einer Villa mit Garten in Berlin-Dahlem anders als in einer engen Dreizimmerwohnung in der 8. Etage.

Das Virologen-Bashing kam allerdings nicht bei allen Delegierten gut an. Die Kollegen würden auch nur ihren Job tun und hätten in ihren Prognosen meist gut gelegen, erwiderte ein Arzt. Und während Weigeldt sowie DEGAM-Präsident Professor Dr. Martin Scherer weiterhin vom Corona-Positionspapier der KBV überzeugt sind, betonten bayerische Delegierte ihre andere Sicht.

Zwei Verbände für Brandenburg

Mit 80 Ja-, 13 Nein-Stimmen und 12 Enthaltungen sprachen sich die Delegierten des Deutschen Hausärzteverbandes für die Aufnahme des Landesverbandes Brandenburg e.V. auf, was die Vorsitzende des Hausärzteverbandes Brandenburg, Dr. Karin Harre, sehr freute. Alle Hausärzte sollen im DHÄV ihre Heimat haben können, betonte der Bundesvorstand. Der Hausärzteverband Brandenburg war vor elf Jahren im Streit über die HzV entstanden, als Mitglieder aus dem Hausärzteverband Berlin und Brandenburg ausgetreten waren. Beide Verbände geben die Zahl ihrer märkischen Mitglieder mit etwa 270 an und sind in KV und Ärztekammer vertreten. Der Berlin-Brandenburger Verbandschef Dr. Wolfgang ­Kreischer zeigte sich überrascht, dass über einen Aufnahmeantrag des „Schwesternverbandes“ abzustimmen war; er wünschte sich vorbereitende Gespräche und eine Entscheidung im Herbst. Weiterhin fühlt man sich von der Potsdamer KV bei der HzV behindert. Die Verärgerung der Berlin-Brandenburger Führung könnte Folgen haben. Zwei Mitglieder des Bundesvorstandes boten sich umgehend als Mediatoren an. Neben wirtschaftlichen Interessen und persönlicher Aspekte wird auch über die Namensfrage zu sprechen sein. „Was Nordmazedonien geschafft hat, schaffen wir auch“, meinte Ingrid Dänschel aus Sachsen.

Auch bei der Digitalisierung äußerte sich Weigeldt kritisch. „Alle bisherigen Komponenten der gematik-TI nützen uns aktuell in der Praxis wenig.“ Da Hardware durch Software, z.B. bei Konnektor-Technologie und Authentifizierung, ersetzt werden soll, stelle sich die Frage, ob man sich überhaupt einen elektronischen Arztausweis anschaffen solle. Bei den digitalen Gesundheitsanwendungen will der Verband helfen, „die Spreu vom Weizen zu trennen“. Die Delegierten sprachen sich dafür aus, ein Strategiepapier zu Digitalisierung zu entwickeln. An Arbeitsgruppen dafür mangelt es nicht.

Quelle: Digitale Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes