Kommentar Coronaregeln außer Kraft
Der tagtäglich veröffentlichte Zahlenstand wird von den allermeisten Menschen – wenn überhaupt – nur noch zur Kenntnis genommen, ohne aber irgendwelche Konsequenzen daraus abzuleiten. Abstand halten und Mund-Nasen-Schutz waren einmal. COVID-19 als reale Bedrohung scheint Schnee von vorgestern.
Besonders gut ersichtlich ist die um sich greifende „Entspannung“ im Gastgewerbe. Letztes Wochenende bei meinem Lieblingsgriechen: Der Wirt ganz ohne Maske, der Kellner mit Alibischutz unter der Nase. Das kleine Restaurant proppenvoll mit Gästen, die ohne Mund-Nasen-Schutz ein und aus gehen. Von 3G keine Rede. Ob jemand geimpft, genesen oder getestet ist – völlig egal. Ein paar Wochen zuvor beim Italiener ein ähnliches Desinteresse. Auch dort blieb mein Impfnachweis in der Tasche. Immerhin nahm das Personal aber den Mund-Nasen-Schutz ernst. Einzelfälle? Das Ergebnis meiner Blitzumfrage unter Kollegen lautet nein.
Die Menschen wollen endlich ihre Freiheit zurück, sich nicht mehr von der Regierung gängeln lassen, lautet häufig die Erklärung für die Coronaregelverstöße. Dabei wird allerdings Freiheit mit dem Durchsetzen der eigenen Wünsche und Interessen verwechselt.
Die Maxime, dass individuelle Freiheit dort endet, wo sie andere beeinträchtigt oder gar gefährdet, bleibt unberücksichtigt nach dem Motto: Was geht es mich an, wenn sich ein immunsupprimierter Rheumapatient im Restaurant ansteckt. Er hätte ja zu Hause essen können. Auch was die Coronaimpfung betrifft, wird vehement das Freiheitsfähnchen geschwungen, der Schutz von andern, insbesondere Kranken, Alten und Kindern, den eigenen egoistischen Interessen untergeordnet. Solidarität der Gemeinschaft ist letztlich immer nur dann ein Thema, wenns ums Bezahlen der durch COVID-19 verursachten Kosten geht.
Birgit Maronde
Chefredakteurin Medical Tribune