Demenz: Gesellschaftliche Kosten können sich vervielfachen
Rund 1,7 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung leben momentan in Deutschland, hat die Deutsche Alzheimer Gesellschaft ermittelt. Jedes Jahr kommen 300 000 neu Erkrankte hinzu. Die volle Last bekommt das Gesundheitssystem aber gar nicht zu spüren – was unter anderem den fleißigen Angehörigen zu verdanken ist. Etwa 75 % der Kranken werden zu Hause von Familienmitgliedern versorgt. Die damit verbundenen Kosten und Verdienstausfälle werden wenig beachtet.
Folglich werden sie auch nicht in den offiziellen Schätzungen der gesamtgesellschaftlichen Kosten berücksichtigt, sagen Dr. Bernhard Michalowsky vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Greifswald und Kollegen. Zusätzlich sollte man von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, da nur 40 % der Demenzkranken tatsächlich formell eine Diagnose erhalten.
Mit einer umfassenden Recherche versuchte das Team, eine zutreffendere Prognose zu erstellen. Die Meta-Analyse von 15 ausgewählten Studien ergab: 2016 verursachte die Demenz für die Kostenträger Zusatzausgaben von 18 Milliarden Euro – das sind etwa 11 % der gesamten Gesundheitsausgaben für über 65-Jährige. Die Zusatzkosten ergeben sich aus dem Vergleich mit den Ausgaben für die medizinische und pflegerische Versorgung von gleichaltrigen Menschen ohne Demenz.
Bezogen auf die Gesellschaft liegen die Zusatzkosten aber wesentlich höher. Hier schlägt die Demenz mit 54 Milliarden Euro zu Buche, das entspricht jährlich etwa 33 200 Euro pro Patient.
Die medizinische und pflegerische Versorgung eines Menschen mit Demenz kostet die Kostenträger im Schnitt jährlich 20 659 Euro. Der Aufwand für informelle Pflege und Produktivitätsverluste, den Betroffene und Angehörige tragen müssen, ist um 24 % höher (25 573 Euro).
Auf der Suche nach neuen Versorgungslösungen
Überträgt man den bisherigen Trend auf die nächsten 40 Jahre, würden die Ausgaben bei den Kostenträgern voraussichtlich auf 49 Milliarden Euro ansteigen. Für die Gesellschaft wäre eine finanzielle Belastung von 145 Milliarden Euro zu erwarten.
Da die Zahl der Angehörigen, die für die private Pflege zur Verfügung stehen, vermutlich in Zukunft abnehmen wird, gehen die Autoren davon aus, dass der Kostenanteil, den das Gesundheitssystem stemmen muss, wachsen wird. Deswegen sei die Entwicklung effektiver Versorgungs- und Therapieansätze sowie alternativer Wohnformen von fundamentaler Bedeutung. Ein Lichtblick: Aktuelle Studien deuten an, dass die Rate der Neuerkrankungen derzeit wieder abnimmt, so die Autoren. Dann würde das Szenario etwas weniger dramatisch ausfallen.
Michalowsky B et al. Bundesgesundheitsbl 2019; 62: 981-992