Kassen müssen für Erhalt der Fruchtbarkeit bei jungen Krebspatienten zahlen
Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) hat der Bundestag Forderungen von Ärzten und Patienten, vor allem von der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs (DSfjEmK) und der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. (DGHO) aufgegriffen. Nach dem neuen Absatz 4 in § 27a Sozialgesetzbuch V haben Versicherte sowohl Anspruch auf die Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen oder von Keimzellgewebe als auch auf die dazugehörigen medizinischen Maßnahmen. Das betrifft Patienten, deren Behandlung mit einer keimzellschädigenden Therapie medizinisch notwendig erscheint.
Tausende Euro – für Patienten oft nicht aufzubringen
Professor Dr. Mathias Freund, Vorsitzender des Stiftungskuratoriums der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs, zeigte sich zufrieden über die Finanzierung der fruchtbarkeitserhaltenden Maßnahmen. Bisher werden diese, wie der Arzt erläuterte, anders als z.B. in Belgien oder Australien, nicht von den Krankenkassen übernommen, weder von den gesetzlichen noch den privaten. Dabei kostet die Eizellkonservierung – Gewinnung, Kryokonservierung/Lagerung – gewichtsabhängig pro Jahr zwischen rund 3500 und 4300 Euro. Die Konservierung von Eierstockgewebe kostet zwischen 1400 und 2300 Euro. Rund 500 Euro sind für die Konservierung von Spermien zu zahlen. Für jedes weitere Jahr werden in allen Fällen jeweils etwa 300 Euro fällig.
Dass diese Summen von jungen Patienten, die vielleicht gerade eine Ausbildung begonnen oder die erste eigene Wohnung gemietet haben, fast immer nur mithilfe der Familie oder Krediten aufzubringen sind, versteht sich von selbt. Hinzu kommt eine kurze Zeit zwischen Diagnose und Beginn der Therapie.
„Vielen jungen Krebspatientinnen und -patienten wurde damit die Chance auf eigene Kinder genommen, weil ihnen oder ihren Familien schlicht das Geld dafür fehlte“, sagte Professor Dr. Diana Lüftner, Vorstand der Stiftung und Vorstandsmitglied der DGHO. Mit dem Inkrafttreten des TSVG sei diese Ungerechtigkeit nun endlich beseitigt.
Fraglich ist jetzt noch, wie schnell die Kostenübernahme umgesetzt wird, denn der Gemeinsame Bundesausschuss muss Art und Umfang der Maßnahmen erst noch in den Richtlinien beschreiben. Auch die Finanzierung für die Ärzte muss dementsprechend noch angepasst werden. Prof. Freund ist allerdings zuversichtlich, dass die Verantwortlichen „die Regulierung schnell vorantreiben“.
Der FertiPROTEKT Netzwerk e.V. ist ein Zusammenschluss von Zentren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die sich mit der Fertilitätsprotektion (Erhaltung der Fruchtbarkeit) beschäftigen. Wie die Vorsitzende Professor Dr. Ariane Germeyer, Universitäts-Frauenklinik Heidelberg, mitteilte, nutzen bisher 8,4 % der betroffenen Frauen die Kryokonservierung, 11 % lassen sich beraten. Zu männlichen Nutzern gebe es keine Statistik.
G-BA muss jetzt die Richtlinien entsprechend anpassen
Die Ärztin verwies darauf, dass auch FertiPROTEKT maßgeblich zur Grundlage für den Gesetzentwurf beigetragen hat. Zugleich betonte sie, dass vom Gesetz nicht nur Krebspatientinnen und -patienten profitieren, sondern auch junge Patienten mit Autoimmunerkrankungen, Sichelzellkrankheiten oder Thalassämie – sofern sie sich einer keimzellschädigenden Therapie unterziehen müssen.
Laut DGHO ermöglicht die gesetzliche Neuregelung eine Fruchtbarkeitserhaltung für Mädchen und Frauen bis zum vollendeten 40. Lebensjahr sowie für Jungen und Männer bis zum vollendeten 50. Lebensjahr. Es gibt damit ca. 11 000 weibliche bzw. 22 000 männliche potenzielle Interessenten pro Jahr, denn wie Prof. Freund berichtete, können inzwischen 80 % der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Krebs geheilt werden. Allerdings müssten auch nicht alle von ihnen eine keimzellschädigende Therapie erhalten, so der Onkologe.
Eine Altersgrenze nach unten sieht das Gesetz nicht vor. Der Anspruch auf die Leistung ist auch nicht an die für die spätere künstliche Befruchtung geltende untere Altersgrenze von 25 Jahren und das Vorliegen einer Ehe geknüpft.
Quelle: Pressekonferenz der DGHO