Lobbykontakte der Ernährungsministerin – foodwatch fordert gerichtlich Auskunft

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Das Ministerium verweigerte foodwatch die Auskunft – mit Verweis auf die Vielzahl der Lobby-Kontakte und Sicherheitsbedenken. Das Ministerium verweigerte foodwatch die Auskunft – mit Verweis auf die Vielzahl der Lobby-Kontakte und Sicherheitsbedenken. © iStock/gremlin

Im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft stehen Themen zur gesunden Ernährung ebenso im Fokus wie der Schutz von Produzenteninteressen. Keine gute Kombination, meinen Kritiker. Der Ministerin wird zudem vorgeworfen, zu sehr Partei für die Hersteller zu ergreifen.

Als ein Beispiel für nicht ausgeglichene Interessenvertretung nennt die Nichtregierungsorganisation foodwatch die „Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten“. Im Januar hatte Julia Klöckner (CDU), Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, dazu einen Zwischenbericht vorgelegt. Erste Schallmauer beim Nutri-Score durchbrochen, heißt es. Bereits 116 deutsche Unternehmen seien mit 236 Marken für eine Verwendung dieses Nährwertkennzeichens registriert.

„Bundesministerin Klöckner täuscht die Öffentlichkeit, wenn sie ihre Reduktionsstrategie als großen Erfolg verkauft“, meint allerdings Oliver Huizinga, Leiter Recherche und Kampagnen bei foodwatch. 

Trotz Zuckerreduktion entsprächen noch immer neun von zehn Kinderprodukten nicht den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation. 60 % der sogenannten Erfrischungsgetränke seien in Deutschland überzuckert; in Großbritannien wäre dafür eine Limo-Steuer fällig. 

Für foodwatch ist Klöckners Strategie der Freiwilligkeit bei der Reduktion von Zucker, Fett und Salz in verarbeiteten Lebensmitteln zum Scheitern verurteilt. Es offenbare ein vollkommen fehlgeleitetes Amtsverständnis, so Huizinga. Die Ministerin „scheut es, sich mit der Industrie anzulegen“, so sein Vorwurf. Der Gesundheitsschutz von Kindern und Jugendlichen dürfe nicht von unternehmerischen Entscheidungen der Lebensmittelkonzerne abhängen, er sei eine staatliche Fürsorgepflicht

Wir brauchen Offenheit und Nachvollziehbarkeit

Doch wie nah steht die Ministerin den Unternehmen wirklich? foodwatch versucht zurzeit auf gerichtlichem Wege die Ministerin zu verpflichten, Lobbytermine mit der Industrie offenzulegen. Dazu wurde Klage beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht. 2020 hatte foodwatch bereits nach dem Informationsfreiheitsgesetz im Ministerium angefragt, aber keine Antwort erhalten. 

Das Ministeriums verwies auf eine Vielzahl von Lobby-Kontakten, sodass „jede Auskunft“ geeignet wäre, „sich dem Vorwurf mangelnder Vollständigkeit auszusetzen“. Auch könne man „aus Sicherheitsgründen“ keine Auskunft geben, da aus den Informationen Bewegungsprofile abgeleitet werden könnten. 

Für die Verbraucherschützer sind diese Begründungen „absurd und vorgeschoben“. „Schluss mit der Hinterzimmer-Politik!“, meint auch foodwatch-Campaignerin Rauna Bindewald. Die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf zu erfahren, wie oft sich Klöckner mit Vertretern von Nestlé, Coca-Cola oder Bayer treffe, 

Transparenz herstellen über Kontakte von Politikern zu Dritten könnte ein Lobbyregister. Ein solches gibt es auch, allerdings zielt dieses vor allem auf die Eindämmung von Geldwäsche. Die „Allianz für Lobbytransparenz“ forderte deshalb schon 2019 ein Gesetz zu mehr Offenheit und Nachvollziehbarkeit in der politischen Interessenvertretung noch in dieser Legislaturperiode. 

Mit im Boot die Verbraucherzentralen und sogar Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Die sechs Organisationen sprachen sich für ein öffentliches Lobbyregister aus, in das sich alle Personen eintragen müssen, die sich der politischen Interessenvertretung widmen. Das Register solle auch Angaben zu den Tätigkeitsfeldern sowie zu den Finanzmitteln, die für die Interessenvertretung zur Verfügung stehen, beinhalten. Zudem müsse es einen verpflichtenden Verhaltenskodex inklusive Sanktionen bei einem Verstoß gegen den Kodex geben. 

Die Koalitionsparteien haben im vergangenen Jahr den „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Lobbyregisters beim Deutschen Bundestag und zur Änderung des Gesetzes bei Ordnungswidrigkeiten (Lobbyregistergesetz)“ vorgelegt. 

Alle Oppositionsparteien brachten zudem eigene Gesetzentwürfe ein. Bei einer Anhörung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung begrüßten Sachverständige den Willen zur Schaffung eines Lobbyregisters. Die Gesamtbewertung fiel jedoch unterschiedlich aus. Dass es keine keine Vorgaben zur Offenlegung von Lobbytreffen der Bundesregierung und der Ministerien geben soll, wird u.a. von Lobbycontrol als großes Manko gesehen. Der Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD sei nicht konsequent, meinten auch Vertreter von Transparency Deutschland. Die Regelungen müssten Verbände, Unternehmen, NGOs, Stiftungen, Gewerkschaften, religiöse Vereinigungen, Anwaltskanzleien, Think Tanks, Wissenschaftsorganisationen, Beratungsunternehmen, Public-Affairs-Agenturen, selbstständige Beraterinnen und Berater sowie kommunale Spitzenverbände und Einrichtungen der Selbstverwaltung gleichermaßen erfassen.

Ernährung ansiedeln beim Gesundheisministerium?

Zurück zum Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Dieses versteht sich als „Lebensministerium, zuständig für wesentliche Alltagsfragen der Verbraucherinnen und Verbraucher“. Allerdings prallen hier unterschiedliche Interessen von Lebensmittelverbrauchern und Lebensmittelproduzenten stetig aufeinander und die Ministerin schafft den Interessenausgleich. Kritiker wie die Deutsche Diabetes Gesellschaft fordern deshalb schon seit Langem die Anbindung des Ernährungsbereiches an das Bundesgesundheitsministerium. Beim Verbraucherschutz, ursprünglich auch mit Ernährung und Landwirtschaft verbunden, wurde der Umstieg vollzogen. 2013 ging der Bereich ans Justizministerium, heute „Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz“.

Medical-Tribune-Bericht