Mehr Engagement der Ärzte gewünscht: Hautkrebsreport offenbart schwache Prävention
Die Zahlen zeigen es: Hautkrebs ist keinesfalls zu unterschätzen und oftmals der Auslöser für metastasierenden Krebs und eine lange Krankheitsgeschichte“, betonte Jens Baas, Arzt und Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK), bei der Vorstellung des Hautkrebsreports 2019. Mit rund 270 000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Hautkrebs die häufigste Krebserkrankung in Deutschland, in jedem siebten Fall handelt es sich um schwarzen Hautkrebs.
Der auf Hochrechnungen aus Versichertendaten, Forschungsergebnissen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und Erhebungen des Robert Koch-Instituts basierende Report informiert über eine Zunahme beim hellen Hautkrebs zwischen 2009 und 2015 von 53 %, beim schwarzen Hautkrebs um 35 %. Professor Dr. Christoffer Gebhardt (UKE) nannte bei der Präsentation der Statistik jeweils ca. 10 000 Melanom-Neuerkrankungen bei Männern und Frauen 2014. Besonders häufig betroffen sind Männer im Alter zwischen 65 und 90 Jahren. In der Altersgruppe der 75- bis 79-Jährigen erkranken jährlich durchschnittlich 843 von 100 000 an schwarzem Hautkrebs. Bei den 20- bis 24-Jährigen sind es „nur“ 41 von 100 000 Versicherten.
Regionale Unterschiede auch durch Zahl der Dermatologen
Unterschiede zeigen sich auch hinsichtlich Inzidenz und Prävalenz mit Blick auf die Regionen. So wird Hautkrebs am häufigsten in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg dokumentiert – wobei die Hautkontrollen in den neuen Bundesländern vor allem von Hautärzten, im Westen vor allem von Hausärzten vorgenommen werden. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl sind jedoch Hessen (21 500), Niedersachsen (23 000) und Thüringen (6000) die Länder mit den meisten Erkrankten. Die Autoren vermuten als Ursache für die unterschiedliche Verbreitung Unterschiede im sozio-ökonomischen Status der Patienten, der Häufigkeit niedergelassener Dermatologen und Unterschiede in der Inanspruchnahme von Untersuchungen abklärungsverdächtiger Befunde oder der Früherkennung. Auch Unterschiede in der UV-Strahlung und Anzahl der Sonnenstunden werden als mögliche Einflussfaktoren angesehen.
Zugleich verdeutlichte Prof. Gebhardt anhand von Studienergebnissen: Schon in frühen Stadien der Streuung steigt das Sterberisiko beim Melanom deutlich – je früher ein Melanom erkannt wird, desto höher die Chance auf Heilung. Trotzdem hat zwischen 2015 und 2017 nur jeder fünfte gesetzlich Versicherte eine Hautkrebs-Früherkennung in Anspruch genommen – obwohl das Screening für Versicherte ab einem Alter von 35 Jahren (TK 20 Jahre) zudem noch als gesetzliche Regelleistung gilt.
Professor Dr. Gerd Glaeske, Universität Bremen, SOCIUM, – neben Professor Dr. Matthias Augustin (UKE) Herausgeber des Reports – mahnte, die Prävention ernster zu nehmen als bisher. Hierbei betonte er die Primärprävention durch bestimmte Verhaltensregeln beim Einzelnen. Er lobte die „Slip, slap, slop!“-Regel aus Australien: Zieh ein Hemd mit Kragen und Ärmeln an, benutze eine Sonnencreme, setze einen Hut mit breiter Krempe auf! Auch riet er, die WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes hinsichtlich des UV-Index zu nutzen und den Sonnenschutz darauf abzustimmen.
Ärzte könnten sich mehr für Vorsorge einsetzen
Kritisch wurde von den Experten auch das Engagement der Ärzte bewertet. Die Leistung sei zu schlecht vergütet, sagte Baas. Zurzeit werde deshalb diskutiert, ob die Auflicht-Mikroskopie Satzungsleistung werden solle. Allerdings ließen sich nicht alle Probleme durch eine bessere Vergütung lösen.
Auf die Nachfrage, ob überhaupt genügend Ärzte für ein breites Screening zur Verfügung stünden, bemerkte Prof. Gebhardt, dass die derzeit 4000 ambulanten Hautärzte im Schnitt 1000 Screenings pro Jahr durchführten. „Das ist aber nur ein Teil der dermatologischen Versorgung und den kann man nicht unendlich ausdehnen.“
Angesprochen wurden auch Qualitätsdefizite der Ärzte bei der Hautkrebserkennung. Die Experten zeigten sich zuversichtlich, dass in wenigen Jahren die automatisierte Diagnostik von Hautmalen Ärzten behilflich sein wird. Eine amerikanische Untersuchung zur Hautkrebserkennung hatte bereits 2017 gezeigt, dass die Treffsicherheit der Künstlichen Intelligenz (KI) vergleichbar hoch ist wie die erfahrener Dermatologen (Esteva et a ., 2017).
Nach einer aktuellen Studie aus Deutschland mit 157 Hautärzten aus zwölf Universitätskliniken diagnostizierte die KI nach einer Lernphase sogar präziser als die Ärzte (NCT; Brinker et al., 2019). Laut Report kann die unterstützte Diagnostik in den Arztpraxen erfolgen, aber auch durch Handy-Software, die von Laien bedient wird. Sie sehen bei Apps aber die Gefahr einer Über- oder sogar Fehldiagnostik.
Medical-Tribune-Bericht