Mit Qigong in der Krise gewappnet
Vor Kurzem musste ich eine für mich schwierige Mail verschicken – schwierig nicht etwa, weil es mir schwer fiel, eine passende Formulierung zu finden oder weil der Inhalt heikel und strittig war. Nein, es war etwas anderes.
Ich hatte den Teilnehmern meines Qigong-Kurses mitzuteilen, dass wir uns bis zum Herbstsemester nicht wiedersehen werden. Aufgrund der strengen Beschränkungen in Coronazeiten wird es nicht möglich sein, den Kurs weiterzuführen. Die Volkshochschule muss sich nach den Vorgaben des Landratsamts richten. Und in unserem Fall ist ein Kursverbot auch dann absolut sinnvoll, wenn die Ausgangsbeschränkungen gelockert werden. Qigong ist zwar kein Leistungssport, aber die körperlichen Übungen mit Maske sind eine Zumutung wegen des Hitzestaus darunter. Außerdem könnten wir in dem Raum die geforderten 1,5 m Abstand nicht einhalten, zumindest wenn alle da sind.
Aber warum bin ich eigentlich so dysphorisch? Ich sollte mich freuen über die gewonnene zusätzliche Freizeit. Schließlich passierte es nicht nur einmal, dass ich unter massivem Zeitdruck nach der Sprechstunde gehetzt und unter Missachtung sämtlicher Geschwindigkeitsbeschränkungen zum VHS-Haus gerast bin.
Stress und Hetze pur! Und die ausbleibende Bezahlung kann es auch nicht sein, nicht beim Stundensatz der Volkshochschule. Was ist es also, das mich so Trübsal blasen lässt?
Ich glaube, es liegt einfach an der ganz anderen Tätigkeit, die mir Spaß macht! Ich bin im Kurs nicht mehr die Frau Doktor, sondern eine Expertin, die die Übungen anleitet. Übungen aus dem bewegten und aus dem stillen Qigong: Atemübungen, Lautübungen, Selbstmassagen und Entspannungsübungen. Wir machen alle Übungen gemeinsam und spüren dabei eine innere Verbundenheit. Man mag an die Existenz des Qi glauben oder nicht, aber es herrscht dann eine ganz spezielle Atmosphäre im Raum. Der stressige Tag rückt schnell in den Hintergrund, wir erleben uns mehr in der Gegenwart. Wir sammeln unsere Energie und geben auch Energie an unsere Mitmenschen und unsere Umwelt ab. Ein Austausch also.
Mein pädagogisches Ziel ist, dass die Teilnehmer eine Übungsfolge erlernen, die sie dann jederzeit zu Hause in Eigenregie durchführen können. Also „Hilfe zur Selbsthilfe“. Und sie können die Übungen auswählen, die ihnen persönlich guttun. Je nach Körpergefühl oder auch nach Beschwerden in Absprache mit mir.
Leider war aber in diesem Frühjahrssemester die Zeit zu kurz, um eine komplette Übungsfolge zu unterrichten. Und dabei reguliert Qigong nachgewiesenermaßen das Immunsystem, stärkt die Abwehr, entspannt und reduziert Ängste. Also genau das, was ich den Teilnehmern gerne für die Coronakrise mitgegeben hätte. Vielleicht ist auch das ein bisschen an meinem Bedauern schuld.
Natürlich wäre das Einrichten einer Video-Plattform eine tolle Sache gewesen, aber neben der erhöhten Beratungstätigkeit in der Praxis, der gehäuften Fortbildung über die Corona-Erkrankung und dem erschwerten Besorgen von Hygieneausstattung für die Praxis wie Tröpfchenschutz und Masken in großen Mengen blieb mir einfach keine Zeit. Zumal es auch mit der Finanzierung schwierig geworden wäre.
Aus meinen negativen Gedanken rissen mich dann einige Mails von Teilnehmern, die auf meine Nachricht reagierten. Sie bedankten sich für meine Information und teilten mir mit, dass sie täglich eine kleine Runde Qigong üben. Es würde ihnen sehr guttun und sie fühlten sich den Herausforderungen der Coronakrise in jeder Hinsicht gewappnet. Eine bessere Aufheiterung gibt es einfach nicht!