Digitalstrategie Nach langer Sendepause kommt nun langsam Bewegung in die Sache

Gesundheitspolitik diatec journal Autor: Manuel Ickrath

Dr. Susanne Ozegowski ist seit 1. April 2022 Leiterin der Abteilung 5 „Digitalisierung und Innovation“ im Bundesgesundheitsministerium. Viele Akzente hat sie bislang noch nicht gesetzt. Dr. Susanne Ozegowski ist seit 1. April 2022 Leiterin der Abteilung 5 „Digitalisierung und Innovation“ im Bundesgesundheitsministerium. Viele Akzente hat sie bislang noch nicht gesetzt. © Coloures-Pic – stock.adobe.com; Andreas Friese – BMG

Hat man 2022 etwas aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gehört zur Digitalisierung? Außer lautem Schweigen – nichts. Ende des Jahres schließlich lud die Abteilungsleiterin Digitalisierung im BMG alle Akteure im Gesundheitswesen auf, sich an einer „Digitalstrategie“ zu beteiligen. Mittlerweile stapeln sich Berge von Strategiepapieren auf den Schreibtischen des Ministeriums; auch die DDG hat Anfang Dezember ein Positionspapier versendet. Was wird das alles bringen?

2022 war für die Digitalisierung des Gesundheitswesens ein verlorenes Jahr. Sehr spät wurden erst die verantwortlichen Positionen im Ministerium besetzt – von einem Minister, der sich für das Thema nicht interessiert. ePA 1.0 ist gescheitert, unter einem Prozent der Versicherten haben ihre elektronische Patientenakte geöffnet. Auch das elektronische Rezept konnte sich nicht durchsetzen, nachdem die letzte Pilotregion ausgestiegen war. Man hat den Eindruck, dass ein übermächtiger, unkontrollierter Datenschutz alle Bemühungen um Fortschritt in der Digitalisierung plattmacht. Jetzt eine Strategie für das Ganze auszurufen, nachdem schon zahlreiche „Produkte“ wie ePA, eAU, KIM oder DiGA ihren Platz in der Versorgung suchen, wirkt naiv.  

Oder sehen wir etwa einen Neustart? Werden dann vielleicht alle Produkte über den Haufen geworfen, wenn sie nicht zur neuen Strategie passen? Wer will da planen? Vor allem, auf welche langen Zeiträume haben sich die Beteiligten einzustellen? Wie umfangreich kann eine Strategie sein? Wie kurz und prägnant muss sie sein, damit sie überhaupt verstanden und umgesetzt werden kann? Die Deutsche Diabetes Gesellschaft hat sich vergleichsweise auf wenige Kernpunkte fokussiert. Das wichtigste Anliegen ist ihr, die Dia­betologen und nicht-medizinischen Fachberufe in die neue Strategie miteinzubeziehen. Denn ein Grund für das bisherige Scheitern war, dass die Digitalisierung den Ärzten „von oben“ aufgezwungen wurde von Experten, die niemals eine Arztpraxis von innen gesehen haben.

Datenschutz: einer statt siebzehn!

Weiterhin muss der föderale Datenschutz in Deutschland reformiert werden: EINER statt 17 davon! Medizinische Software und Leistungen von Ärzten und nicht-medizinischen Fachberufen bei der Verwendung von digitalen Tools müssen differenziert abrechenbar werden. DiGA und DiPA brauchen eine Reform bei den BfArM-Zulassungskriterien, die weitgehend praxisfern und ohne Verfahrensordnung gestaltet wurden. Mit großer Priorität muss eine verbindliche Interoperabilität (strukturell, syntaktisch, semantisch und organisatorisch) für PVS, KIS, Gematik, KBV und MII/NUM festgeschrieben und – bei Nichtbefolgen – sanktioniert werden. 

Standards für Datenstruktur, Datenschutz und Datensicherheit müssen sich an globalen, zumindest europäischen Entwicklungen orientieren, statt regionalen, föderalen deutschen Traditionen zu folgen. Schließlich ist es für die DDG wichtig, das geplante Forschungsdatenzentrum unter gesamtgesellschaftlichen Aspekten zu konzipieren. Dies kann nur funktionieren, wenn ein ausufernder Datenschutz inklusive Datenlöschung durch den Patienten abwägend dem Interesse des Allgemeinwohls und der Solidarverantwortlichkeit des Einzelnen gegenübergestellt wird. In diesem Zusammenhang ist das Prinzip der Datensparsamkeit in der EU-DSGVO irrational und würde Forschung verhindern. Nicht zuletzt: Ärzte müssen raus aus der Haftung beim Umgang mit der Cloud

Soweit das Positionspapier der DDG. Bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe hat es noch keine Reaktion aus dem Bundesministerium für Gesundheit gegeben. Was bringen aber immer neue Strategiepapiere? Wir haben in Deutschland kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem! Ständig neue Feedbackschleifen bei der Digitalisierung sind langweilig und frustrierend! 

Vielmehr als diese theoretischen Debatten und Papiere brauchen wir endlich eine Aufklärungskampagne zu ePA, DiGA und Co.: Worin liegt der persönliche Nutzen für Patient und Arzt? Wie viel Geld können wir sparen, wenn endlich die Tausenden von Doppeluntersuchungen wegfallen? Wie viel Leid lässt sich verhindern durch einen transparenten Medikationsplan, der unnötige Nebenwirkungen und Wechselwirkungen reduziert? Das alles weiß doch kaum einer von denen, die dies auch nutzen und umsetzen sollen.