Naherholung in den Tropen

Kolumnen Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

Tropische Länder sind – zumindest in den Köpfen der Reisenden – nur einen Katzensprung entfernt. Tropische Länder sind – zumindest in den Köpfen der Reisenden – nur einen Katzensprung entfernt. © iStock.com/Deagreez

Das Thema in unserer Praxiskolumne: Von kanarischen Inseln als Naherholungsgebiet, Kurzstreckenflügen nach Dubai und moskitoresistenten Touristen. 

Immer mehr Menschen fahren mehrmals im Jahr in Urlaub, und zwar nicht nur im Winter zum Skifahren in die Alpen und im Sommer ans Mittelmeer. Nein, es sind richtig weite Reisen nach Asien oder in die Antarktis, nach Australien oder auf den amerikanischen Kontinent. Quasi ein „Muss“ ist mittlerweile, zumindest einmal im Leben in Afrika gewesen zu sein. Ich merke das an der reisemedizinischen Beratung, die ich gerne und engagiert durchführe. Die Beratungstermine nehmen nicht nur zu. Nein, in einer Beratungseinheit werden immer häufiger mehrere Fernreisen besprochen, z.B. die Afrika-Tour im März, die nach Südostasien im Herbst.

Flug nach Dubai angeblich ein Kurzstreckenflug

Die Welt ist in den Köpfen der Menschen kleiner geworden. So wollte mir kürzlich eine Patientin weismachen, dass ein Flug nach Dubai ein Kurzstreckenflug sei. Eine andere erklärte die kanarischen Inseln zum Naherholungsgebiet – wie den Spessart oder den Taunus, geographisch von mir aus die nächsten Wander- und Urlaubsgebiete. Dass vier Stunden Flugzeit zur Mittelstrecke gehören, weiß zumindest jeder Flugbegleiter und jeder Pilot. Und dass die Sitten und Gebräuche in Dubai andere sind als im Spessart, ist leicht vorstellbar. Die Einwohner der kanarischen Inseln haben sich dagegen an die „Kultur“ der Mittel- und Nordeuropäer, sprich Briten und Deutschen, aus pekuniären Gründen angepasst – sie leben ja hauptsächlich vom Tourismus. Erst mühsam besinnen sie sich wieder auf ihre eigenen Wurzeln.

Gegen drogensüchtige Taxifahrer und Raubüberfälle kann ich nicht impfen

Was sich ebenfalls verschoben hat, sind die Vorstellungen und Ansprüche der meisten Reisenden. Heute wird es als selbstverständlich angesehen, dass man gesund aus dem Tropenurlaub zurückkommt. Das gilt auch dann, wenn gravierende internistische und/oder neurologische Probleme bestehen. Wozu hat man schließlich die Vorsorge-Impfungen? Bemerke ich etwas salopp, dass ich gegen den katastrophalen Autoverkehr, drogensüchtige Taxifahrer und Raubüberfälle in vielen Ländern Afrikas und Südamerikas nicht impfen kann, sind manche erstaunt. Und dass man nicht gleich am Tag nach einer OP fliegen sollte, verstehen die meisten überhaupt nicht. Es ist doch alles machbar, oder nicht?

Und dann gibt es die andere Sorte von Reisenden: die jungen, die sich überhaupt nicht vorstellen können, dass ihnen etwas passiert. Sie sind gesund, kennen außer grippalen Infekten keine Krankheit und sind total überzeugt, keine Mücke und kein tropischer Krankheitserreger könne ihnen etwas anhaben. Malariaprophylaxe? Wozu denn? Reiseapotheke? Nur für Weicheier! Von mir wollen sie eigentlich nur die Bestätigung, dass alles gut gehen wird. Und gegenüber Impfungen sind sie extrem misstrauisch. Da hilft es auch nicht, dass ich mir die Reiseroute zeigen lasse und – soweit vorhersehbar – nur die Impfungen empfehle, die ich für den geplanten Trip tatsächlich als sinnvoll erachte.

Normalerweise sehe ich die Reisenden nur so lange, bis die notwendigen Impfungen durch sind. Ist später noch eine Auffrischung nötig, frage ich natürlich nach, wie der Urlaub gewesen war. So berichtete mir eine Patientin, die ich auf Sansibar „vorbereitet“ hatte, dass sie das nächste Mal dort eine Rundreise machen wolle. Diesmal sei sie nur im Resort geblieben, aber die Insel sei doch soooo interessant. Wie bitte? Wozu fliegt diese Frau nach Sansibar? Um andere Europäer im klimatisierten Resort zu treffen, um sich von der Sonne „verbrutzeln“ zu lassen? Um mitreden zu können?

Abends ging meine Phantasie mit mir durch. Mein Vorschlag für die Zukunft ist Reisen 4.0: 3D-Brille, Kopfhörer bzw. Lautsprecher genügen, um (fremde) Länder bzw. Regionen optisch und akustisch zu erleben. Und natürlich kann man sich via Computerprogramm und entsprechenden Lampen auch die ersehnte Urlaubsbräune bzw. den Sonnenbrand holen. Nur die typischen Gerüche erscheinen mir noch ein Problem. Aber das werden die Computerspezialisten sicher ebenfalls bald lösen können.

Dann braucht es keine speziellen Impfungen mehr, die häusliche Sicherheit und die gute deutsche Gesundheitsversorgung sind gewährleistet. Kerosin verschmutzt nicht mehr die Luft und die energiefressenden Kreuzfahrtschiffe bleiben im Hafen. Nur die Tourismus-Industrie und ich als Reisemedizinerin hätten wohl nichts davon.