Alle Programme schließen und in den Ruhezustand fahren
Es war mal wieder notwendig, meinen Schreibtisch aufzuräumen. Nein, nicht den in der Praxis. Da habe ich glücklicherweise gute Geister, die meine Unordnung „sortieren“ und es mir möglich machen, an diesem Schreibtisch noch arbeiten zu können. Die Karteikarten liegen sauber gestapelt auf einer Seite und bedeuten, dass ich sie durchsehen muss: Laborwerte, Facharztbriefe, Versicherungsanfragen, Rückrufbitten am Telefon usw. Das ist alles ganz prima. Fast schon ein wenig Luxus.
Nein, es handelte sich um meinen privaten Schreibtisch, der unter den aufgehäuften Papieren kaum noch zu erkennen war. Da lagen Fachartikel, vor einigen Monaten sicher aktuell und von mir zur Lektüre aufgehoben. Da lagen Noten vom letzten Konzert und auch schon einige für das nächste. Da lagen die Unterlagen für den Volkshochschulkurs, den ich halte, und die von dem Kurs, den ich besuche. Auch einige Fotos, die ich schon lange gesucht hatte, fanden sich. Und die Unterlagen von einer Monate zurückliegenden Psychotherapie-Fortbildung. Es war wirklich an der Zeit, mal auszumisten. Ich machte mich also ans Werk.
Unter all den Papieren fand sich auch ein Gedicht, das ich wohl schon vor Monaten oder Jahren aus einem Kalender gerissen hatte:
Update
Es steht ein Update für Sie bereit. Fahren Sie sich in den Ruhezustand. Schließen Sie alle Anwendungen. Sorgen Sie für ausreichende Energieversorgung. Die aktuelle Version Ihrer selbst wird geladen. Der Vorgang kann 40 Tage dauern.
– Gott.
Na klar, das war aus dem letztjährigen Fastenkalender! In einfachen Worten aus der modernen Computersprache wird uns suggeriert, dass es doch eigentlich ganz einfach sei, zur Ruhe, zu sich selbst zu finden. Nur ein Knopfdruck, ein Click. Tatsächlich ist es bei uns selbst nicht so einfach, in den Ruhezustand zu fahren, alle Programme zu schließen. Wir tun uns schwer, den richtigen Knopf zu finden. Dazu nehmen wir uns häufig gar nicht die Zeit.
Aber das Bedürfnis nach Klarheit und Einfachheit ist da. Nicht umsonst hat das Buch von Marie Kondo, einer amerikanisch-japanischen Aufräum-Ikone, so viele Käufer. Sie leitet an, wie man/frau Schränke und Wohnungen von überflüssigem „Plunder“ befreit. Denn zu viel macht uns ja auch nicht glücklich, wird sogar zur Belastung. Loslassen statt Festhalten als Ziel. Einfachheit und Klarheit in der Umgebung sorgen auch für Klarheit der Gedanken, für Freiheit des Geistes. Im täglichen Hamsterrad können wir davon häufig nur träumen.
Aber ohne Träume verändern wir auch nichts. Auch ich habe mir bisher keine 40 Tage Zeit genommen, um wieder zu mir selbst zu kommen. Meine aktuelle Version zu laden. Und ein Turbo-Verfahren dafür kenne ich leider nicht. Aber immerhin haben wir, d.h. ein paar Mitstreiterinnen und ich, es geschafft, in unserer Gemeinde einen ökumenischen Meditationskreis einzurichten. Noch sind wir ein kleiner Kreis, der sich einmal im Monat trifft, aber bei jedem Treffen ist eine Neue dabei. Wir wachsen langsam, aber stetig. Ist das nicht ein gutes Zeichen?
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen nun frohe und freie Osterfeiertage, natürlich möglichst ohne Dienst. Genießen Sie den Frühling, die Natur, Ihre Familie, Ihre Lieben, und vielleicht schaffen Sie es doch, sich an den Feiertagen in den Ruhezustand zu fahren und zu erholen. Was gibt es Schöneres im Frühling?