Politiker wollen doch nur Neid schüren

Kolumnen Autor: Dr. Frauke Gehring

Golf entspannt, trainiert und ist perfekt zum Abschalten, findet unsere Kolumnistin. Golf entspannt, trainiert und ist perfekt zum Abschalten, findet unsere Kolumnistin. © iStock.com/kosmos111

Das Thema in unserer Praxiskolumne: Wer hat den stressigeren Arbeitsalltag – Arzt oder Politiker? Frau Dr. Gehring bewahrt ihre Work-Life-Balance auf dem Golfplatz.

Na, Frau Doktor? Heute Nachmittag auf den Golfplatz?“, fragt mein letzter Patient an diesem Mittwoch keineswegs hämisch, sondern leutselig nach einem Blick durchs Fenster. „Es ist ja ein herrlicher Frühlingstag!“. Da stimme ich ihm zu: „Das habe ich tatsächlich vor, ich muss ja mal wieder in Schwung kommen, bevor die Turniersaison beginnt.“

Wenn es nach unserer Standesvertretung ginge, hätte dieses Gespräch so gar nicht verlaufen dürfen. Ich hätte antworten müssen: „Golfplatz? Wo denken Sie hin? Nach den Hausbesuchen gönne ich mir einen schnellen Imbiss, dann eile ich in eine Fortbildungsveranstaltung und kümmere mich spät abends noch um ein paar Arztbriefe.“ Ich vermute aber, das hätte man mir ebenso wenig geglaubt wie den Aushängen einer Arztpraxis, die ständig behauptet, „wegen Fortbildung“ geschlossen zu sein – just, wenn Karneval, Schützenfest oder Kirmes ein spannendes Alternativprogramm bieten. Warum sollte man auch?

Ich habe mal unsere Sprechstundenzeiten zusammengezählt: Wenn man (optimistisch) davon ausgeht, dass wir nur eine Stunde länger in der Praxis sind, als die Sprechstundenzeiten angeben, dann sind wir 36 Stunden vor Ort. Mittwoch- und Freitagvormittag geht es ein bisschen länger, dafür haben wir tatsächlich nachmittags frei. Vor allerlei Jahren hatten wir noch Freitagnachmittag Sprechstunden, aber diese wurden von unseren Patient/innen wenig frequentiert.

Hatte man doch mit Einkaufen, Putzen und dem Frühstart ins Wochenende so viel zu tun, dass man nicht auch noch zum Arzt gehen konnte. Nachdem wir so manchen herrlichen Sonnentag für eine Handvoll Patient/innen drangegeben hatten und der zentrale Notdienst den Nachmittag schon mit abdeckte, beendeten wir unser Angebot. Nun also 36 Stunden, dazu kommen Hausbesuche, Bürokratie-Kram und – ja, tatsächlich – die eine oder andere Fortbildung sowie eben der ungeliebte kassenärztliche Notfalldienst abends und am Wochenende. Im Schnitt also eine 45-Stunden-Woche.

Jeder, der eine gut ausgelastete Praxis hat, weiß um die Arbeitsverdichtung. Da wird ein endloser Strom Erkälteter im Drei-Minuten-Takt untersucht und krankgeschrieben, werden chronisch Kranke betreut, Weinende getröstet, Wunden versorgt, diffuse Beschwerden sorgfältig abgeklärt. Es bleibt kaum Zeit für einen Kaffee zwischendurch, geschweige denn für einen Plausch.

In fünf Stunden leisten wir mehr als mein „Freund“ Professor Lauterbach in acht

In Regierungsbüros ist das definitiv anders! Ich versteige mich zu der Aussage, dass wir in fünf Stunden mehr leisten als mein „Freund“ Professor Lauterbach in acht, aber der mokiert sich darüber, dass mittwoch­nachmittags Ärzte auf dem Golfplatz zu sehen sind? Tja, in der Politik versucht man ja gern mal, mit dem Schüren von Neid Zustimmung zu gewinnen. Warum aber bellen unsere Standesvertreter wie getroffene Hunde und weisen den Vorwurf des „SPD-Gesundheitsexperten“ weit von sich, statt selbstbewusst zu konstatieren: „Ja, wir erholen uns mittwochnachmittags schon mal, und das ist gut so!“

Golf bei uns auf dem Lande ist preiswert. Ich lade Professor Lauterbach herzlich auf eine Runde ein, damit er ein paar andere trifft, die da mittwochs ohne schlechtes Gewissen spielen: Lehrer, Banker, Hausfrauen, Monteure, Schichtarbeiter und Verkäuferinnen an ihrem freien Tag. Golf ist gesund für Geist und Körper, entspannt, trainiert und ist perfekt zum Abschalten. Meine Patient/innen gönnen mir das, schließlich wollen sie, dass ich auch in meinem vorgerückten Alter Kraft und Geduld für meinen Beruf und ihre Sorgen habe. Auch meine Standesvertreter würde ich gern mitnehmen. Dann lernen sie vielleicht auf dem Platz neben Demut und Etikette auch, was es bedeutet, Rückgrat zu haben!