Digitalisierung Namhafte Akteure des Gesundheitssystems in der Diskussion

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

Die Digitalisierung bietet enorme Potenziale um Personal zu entlasten und Prozesse zu vereinfachen. Die Digitalisierung bietet enorme Potenziale um Personal zu entlasten und Prozesse zu vereinfachen. © j-mel – stock.adobe.com

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens geht nur mühsam voran. Was muss künftig besser laufen? Vier Akteure aus Gesundheitspolitik, Praxis, Wissenschaft und von Kassenseite gaben in einer Diskussionsrunde Antwort.

Weniger als 1% der Deutschen nutzen eine elektronische Patientenakte, das E-Rezept ist vorerst gestoppt und die eAU sorgt in den Praxen für zusätzliche Bürokratie: Die Digitalisierung des Gesundheitswesens schleppt sich voran. Was muss künftig besser laufen?Diese Frage diskutierten Akteure aus Gesundheitspolitik, Praxis, Wissenschaft und von Kassenseite.

Grundsätzlich könne eine gut umgesetzte Digitalisierung der Praxen immense Potenziale haben, waren sich die Teilnehmenden einig. Doch schon im Ansatz gehe man die Projekte oft aus der falschen Richtung an. So sei es nicht sinnvoll, analoge Prozesse einfach identisch ins Digitale zu verlagern, wie bei der eAU geschehen, gab Christian Klose zu bedenken. Er leitete in der letzten Legislatur die Unterabteilung für Gematik, Telematikinfrastruktur und E-Health im Bundesgesundheitsministerium und ist nun bei IBM angestellt. Stattdessen müsse man die Prozesse an sich neu denken. Seit dem vergangenen Jahr suche die Gematik einen engeren Austausch mit Ärzten, um die Situation in den Praxen besser einschätzen zu können. 

Asynchrone Betreuung durch digitale Pflegeakte

Die hausärztliche Internistin Dr. ­Irmgard Landgraf begrüßte dies. Sie regte an, die Prozesse vom konkreten technischen Missstand aus zu beginnen. Die Ärztin hat bereits viele Abläufe digitalisiert, um die Versorgung ihrer Patienten zu verbessern und die Belastung des Teams zu reduzieren. Beispielsweise betreut sie die Einwohner eines Pflegeheims seit 2001 auch asynchron über deren digitale Pflegeakten. Die Pflegekräfte notieren gesundheitliche Auffälligkeiten seitdem einfach dort, die Internistin kann Routinetests beauftragen und hat die Ergebnisse bei ihrer Ankunft bereits vorliegen. 

Im nächsten Schritt wäre es praktisch, wenn die Einträge der Pflegeakte automatisch in die Praxisverwaltungssoftware übertragen würden. Doch bislang ist dies aufgrund einer fehlenden Schnittstelle nicht möglich. Die Hoffnung der Medizinerin ruht auf einem geplanten Digitalisierungsgesetz, das Anfang nächsten Jahres die Inter­operabilität von Softwarelösungen im Gesundheitswesen erhöhen soll. 

Der Digitalmediziner und Neurologe Prof. Dr. Jochen Klucken gab zu bedenken, dass digitale Anwendungen zunächst nur eine Struktur seien, kein Mehrwert. Bei entwickelten Tools wie der elektronischen Patientenakte müsse man vermitteln, wo der Nutzen für Ärzte, Patienten und Gesellschaft liegen könne. Es sei wichtig, dass die Akte durch die geplante Opt-out-Lösung – eine automatische Zustimmung der Patienten bei Nichtverweigerung – bald in die Fläche komme. Dem stimmten auch Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost, sowie Dr. Susanne Johna, Vorsitzende des Marburger Bundes, zu. Bis es so weit sei, müsse man die Notfalldaten der Patienten auf der elektronischen Gesundheitskarte speichern, fordert Dr. Johna.

Wenn es um die Nutzung der Daten für die Forschung gehe, liege Deutschland im internationalen Vergleich weit zurück, so Prof. ­Klucken. Dies liege auch an der Auslegung des Datenschutzes. In einem Bereich werde Deutschland aber beneidet: Bei der Kopplung von digitalen Gesundheitsanwendungen, die einen Mehrwert haben, an eine Re­finanzierung.

Quelle: Round Table Med Live Digital: Hemmschuhe der Digitalisierung in der ärztlichen Praxis vom 30.11.2022, streamed-up.com