Reisen und soziale Kontakte sind essenziell
Wenn man als Hausarzt „das Ohr an der Masse“ hat, dann weiß man, was die Menschen hierzulande bewegt, und dass die meisten von ihnen eigentlich keine Angst vor COVID-19 als Erkrankung haben. Zu blande sind die Verläufe im Bekanntenkreis, die meisten meiner Patienten kennen niemanden oder nur wenige Menschen, die sich überhaupt infiziert haben.
Während die Massenmedien mit ihrer Panikmache „infiziert“ mit „krank“ gleichsetzen und uns täglich neue Horrorzahlen präsentieren, überstehen selbst so bekannte Corona-Positive wie der amerikanische oder der brasilianische Präsident (oder aktuell auch unser Gesundheitsminister) die Erkrankung problemlos. Wie prickelnd wäre es für die bunte Presse, wenn ein Prominenter ernsthafte gesundheitliche Probleme bekommen würde! Abgesehen davon tat es gut, unseren Gesundheitsminister mal einige Tage nicht in den Abendnachrichten zu sehen.
Das mag alles etwas zynisch klingen. Inzwischen sieht das aber sogar mancher Journalist ähnlich. So bezeichnete einer in seinem Radiobeitrag kürzlich den KV-Vorsitzenden Kollegen Gassen, der zu Vernunft und Augenmaß rät, als einsamen Rufer in der Wüste – und warf der eigenen Zunft Panikmache vor.
Was die Patienten meiner Praxis am meisten fürchten, ist die weitere soziale Isolation. Der Mensch ist nun mal ein soziales Wesen und braucht physische Kontakte wie das tägliche Essen und Trinken. Da hilft auch keine minütliche Erreichbarkeit via Smartphone und kein Skypen am häuslichen PC. Die Menschen vereinsamen und werden aggressiv. Große Statistiken über eine Zunahme von häuslicher Gewalt und depressiven Erkrankungen seit Ausbruch der Pandemie beweisen das.
Neulich konnte sich eine Patientin von mir nicht mehr von ihrer sterbenden Mutter verabschieden – weil sie nicht in unser Klinikum eingelassen wurde. Als es ihr dann endlich, nach Rücksprache mit dem Stationsarzt, doch ermöglicht wurde, war ihre Mutter bereits tot.
Auch wird von unseren Politikern immer so getan, als sei das Bedürfnis nach Urlaub und Reisen lediglich eine Lappalie. Das sehen meine Patienten (und ich) ganz anders. Ein Urlaub zu Hause ist zwar grundsätzlich möglich, mündet aber beinahe immer in Arbeit und zunehmende Gereiztheit. Eine Reise dagegen schafft neue Eindrücke und erweitert den Horizont. Es tut gut, mit anderen Kulturen in Kontakt zu kommen, sei es im In- oder im Ausland.
Durch das Reisen in andere Länder ist auch mal ein Ausstieg aus dem heimischen Nachrichtenmief und der hiesigen politischen Engstirnigkeit möglich. Ich selbst z.B. lese auf Reisen weder Zeitung noch schaue ich fern. Stattdessen gibt es Bücher, die nur auf diesen Urlaub gewartet haben, den Genuss der fremden Kultur, lange Spaziergänge und das abendliche Glas Wein in einem schönen Restaurant. Und wenn man dann nach ein paar Wochen zurückkommt – siehe da: Deutschland steht noch und Angela Merkel ist immer noch Kanzlerin!
Der wichtigste Effekt einer Urlaubsreise aber ist die erfrischende Wirkung auf die Partnerschaft. Gemeinsame Erlebnisse, fernab von häuslicher Enge, sind ein Tonikum für die Ehe, welches gar nicht hoch genug geschätzt werden kann. Und das sage ich als ein seit 35 Jahren verheirateter Mann. Ohne diese gemeinsamen Erlebnisse wäre es uns wahrscheinlich längst so ergangen wie dem Großteil unserer geschiedenen Freunde und Bekannten. Deshalb ist eben die Möglichkeit zu reisen kein Pillepalle, sondern ein nahezu essenzielles Bedürfnis des Menschen.
Wenn es also wirklich zum Äußersten kommt und wir alle mit dieser Pandemie leben sollen, dann muss es hierzulande eine andere Lösung geben als einen gelackten Außenminister, der mit staatsmännisch besorgter Miene die nächsten Einschränkungen und Verbote verkündet.
Übrigens sind selbst Katzen unglaublich soziale Wesen. Unsere zwei Kater begrüßen sich oft mit einem Küsschen. Hätte ich so nicht gedacht.