Praxiskolumne Sag Nein zur fachlichen Selbstisolation
Die erste Kontaktaufnahme einer Interessierten flog mir sozusagen zu. Nämlich über eine WhatsApp-Gruppe, in der sich Weiterbildungspraxen austauschen. Andere Kontaktwege sind z.B. hausärztliche E-Mail-Verteiler, über die Stellenangebote oder -gesuche geteilt werden. Job-Börsen sind dagegen in meiner persönlichen Wahrnehmung nicht der große Hotspot für Stellenvermittlungen.
Damit hatten sich also der zukünftige Weiterbilder und die Ärztin in Weiterbildung kennengelernt und auch schon auf eine Zusammenarbeit geeinigt. Was war nun zu tun? Ich benötigte eine Befugnis. Da inzwischen drei verschiedene Weiterbildungsordnungen (WBO) genutzt werden können, gibt es auch nicht nur einen Antrag auf Weiterbildungsbefugnis in Bayern, sondern gleich drei.
Dafür musste ich zunächst meine Praxis räumlich beschreiben und eine Art Weiterbildungsplan entwerfen, welche Inhalte bei mir wann vermittelt werden. Damit meine fachliche Qualität beurteilt werden konnte, benötigte die Bayerische Landesärztekammer dann noch meine Abrechnungsfallzahlen. Die KV übermittelte die Behandlungsfälle mit meiner Zustimmung zum Glück direkt die BLAEK. Für die Fallzahlen der Hausarztzentrierten Versorgung und der Privatpatienten musste ich selbst eine Statistik erstellen bzw. aus dem HzV-Arztportal herunterladen.
Und dann hat es nur noch „wenige“ Wochen und Monate gedauert, bis ich auch schon die Genehmigung zur Weiterbildung erhalten habe – jedenfalls für zwei der drei Weiterbildungsordnungen. Die neue WBO dagegen ist so neu, dass die Antragstellung offensichtlich noch gar nicht vorgesehen war: Die Prüfung meines Antrags dauert weiterhin an.
Dann habe ich mir gedacht, dass es gut wäre, mit noch etwas mehr Struktur an die Aufgabe heranzugehen, als ich es bei meinen eigenen Weiterbildern kennengelernt hatte. Daher habe ich an „Train-the-Trainer“-Seminaren des Kompetenzzentrums Weiterbildung Allgemeinmedizin Bayern teilgenommen.
Die Seminare waren hilfreich – vor allem, weil sie eine Plattform für den Austausch mit anderen Weiterbildern boten. Im Gespräch über Erfahrungen in der Weiterbildung entwickelte man sein eigenes Konzept automatisch weiter. Eine Leitstruktur, an der man sich orientieren konnte, habe ich dort allerdings nicht bekommen, so sehr ich mir das auch wünschte. Unzufrieden war dennoch keiner. Wir hatten gelernt, dass jeder Weiterbilder seine eigene Struktur im Rahmen seiner eigenen Schwerpunkte in der Praxis erschaffen muss und sich flexibel an den Ausbildungsstand der Ärzt:innen in Weiterbildung anpassen sollte.
Seit Januar 2023 freue ich mich nun, meine erste Ärztin in Weiterbildung in meiner Praxis zu haben. Von meiner Seite kann ich sagen: Es könnte nicht besser laufen. Sie ist eine bereits top ausgebildete Ärztin im letzten Weiterbildungsjahr, die gefühlt alle DEGAM-Leitlinien bereits aus dem Effeff beherrscht. Unsere regelmäßigen Fall- und Leitlinien-Diskussionen laufen auf einem kollegialen Niveau auf Augenhöhe ab.
Vor dem Einstieg der neuen Person in meine Praxis hatte ich übrigens in einer regionalen Zeitschrift bekannt gegeben, dass die Ärztin bei uns starten würde. Unsere Patient:innen waren also nicht überrascht und haben die neue Kollegin offen und interessiert begrüßt.
Meine erste Erfahrung damit war also auf jeden Fall eine gute Erfahrung! Auch wenn der Weg bis zum Start der ersten Weiterbildung aufwendig ist: Es lohnt sich, absolut. Klar, ich habe mit meiner derzeitigen Kollegin auch (Anfänger-)Glück gehabt. Aber ich bin optimistisch, dass ich auch in Zukunft Spaß an der Abwechslung in der täglichen Praxisarbeit und dem Austausch mit neuen Kolleg:innen haben werde.