Mutterschutz im Gesundheitswesen Vorsichtshalber mal Beschäftigungsverbot?

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

Eine nicht notwendige Pause während der Weiterbildung kann die Karrierechancen um einiges mindern. Eine nicht notwendige Pause während der Weiterbildung kann die Karrierechancen um einiges mindern. © iStock/PIKSEL

Vage Formulierungen im Mutterschutzgesetz führen dazu, dass schwangere Frauen pauschal ins betriebliche Beschäftigungsverbot geschickt werden. Die Pandemie erschwert die Situation zusätzlich. Vertreter der Ärzteschaft halten eine Reform für überfällig.

Laut einer Umfrage des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) unter Medizinstudentinnen und Ärztinnen würden 43 % von ihnen eine Schwangerschaft nicht ihrem Arbeitgeber melden. Grund dafür dürfte die Angst vor pauschal verhängten Beschäftigungsverboten sein, die die Ausbildung in Klinik und Praxis verzögern und Karrierechancen mindern. Die Pandemie hat die Situation noch zugespitzt: Es sei der Regelfall, dass schwangere Ärztinnen ein Beschäftigungsverbot erhalten, berichtet Andrea Schannath, Justiziarin des ­Virchowbundes.

Reform hat Problem noch verschlimmert

Eigentlich sollte eine Novellierung des Mutterschutzgesetzes 2018 die Situation werdender Mütter verbessern – sie hat jedoch das exakte Gegenteil bewirkt. „Die Reform hat in vielen Einrichtungen statt zu einem diskriminierungsfrei gestalteten Mutterschutz zu einer noch häufigeren Verhängung von Beschäftigungsverboten geführt“, heißt es in einem gemeinsamen Brief des DÄB, der BÄK, des Deutschen Hebammenverbands und des Deutschen Pflegerats an die zu diesem Zeitpunkt noch Verhandlungsführenden der Koalition.

Der Pferdefuß der Reform liegt in vagen Formulierungen: „Der Arbeitgeber darf eine schwangere Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, bei denen sie in einem Maß Gefahrstoffen ausgesetzt ist oder sein kann, dass dies für sie oder für ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt“, erklärt PD Dr. ­Barabara Puhahn-Schmeiser, Vizepräsidentin des Ärztinnenbundes. „Solche weit auslegbaren Gesetzesformulierungen führen dazu, dass Arbeitgeber auf Nummer sicher gehen möchten und viele Tätigkeiten verbieten.“

BÄK-Chef Dr. Klaus ­Reinhardt gibt zu bedenken, dass dies den Fachkräftemangel verstärke. „Gut ausgebildete Frauen ins Beschäftigungsverbot zu schicken, weil sie schwanger sind, ist schlichtweg verantwortungslos. Wir brauchen einen beschäftigungsfördernden Mutterschutz!“

Mit der Reform des Gesetzes wurde im Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben der „Ausschuss für Mutterschutz“ einberufen, der den Begriff der „unverantwortbaren Gefährdung“ definieren und Regeln erarbeiten soll. Dies scheint allerdings noch zu dauern: Aufgrund des Anspruches an die wissenschaftliche Fundierung von Arbeitsergebnissen könnten diese nicht kurzfristig erarbeitet werden, heißt es auf der Homepage. Es werde noch einige Zeit benötigen, bis derart begründete Regeln, Empfehlungen oder Erkenntnisse und nähere Definitionen dazu vorliegen.

Grundsätzlich soll eine Schwangere ihrem Beruf weiter nachgehen können, ohne sich oder ihr Kind zu gefährden. Arbeitgeber sind verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen für den Schutz ihrer physischen und psychischen Gesundheit zu treffen. Welche Risiken bestehen, müssen sie für jede Tätigkeit in einer Gefährdungsbeurteilung benennen. Es geht dabei um Art, Ausmaß und Dauer der Gefährdung. Liegt bei einer Tätigkeit eine „unverantwortbare Gefährdung“ vor, muss der Arbeitgeber in einer durch das Mutterschutzgesetz definierten Reihenfolge vorgehen: Zunächst hat er Schutzmaßnahmen zu treffen, unter denen die Fortführung der Tätigkeit möglich ist. Wenn dies nicht geht, muss er die Frau an einem anderen Arbeitsplatz einsetzen. Nur, wenn auch dies nicht machbar sein sollte, muss er ein betriebliches Beschäftigungsverbot verhängen – auch, wenn die Schwangere gerne weiterarbeiten würde.

Telemedizin ermöglicht weitere Beschäftigung

In Hausarztpraxen sind Infektionskrankheiten ein mögliches Risiko für Schwangere. Diese können jedoch durch eine Umgestaltung des Tätigkeitsbereichs vermieden werden. Der DÄB gibt zu bedenken, dass viele Leistungen per Videosprechstunde kontaktlos möglich sind. „Beispiele wären Laborbesprechungen, Berichtbesprechungen, akute unkomplizierte Beratungsanlässe wie etwa Insektenstiche, Blasenentzündung oder Impfberatungen. Auch das große Feld der Präventionsmedizin – Krebsvorsorgen, Gesundheitsuntersuchungen, Hautkrebsscreening und so weiter – kann unkompliziert von schwangeren Kolleginnen übernommen werden“, erklärt Dr. ­Puhahn-Schmeiser.

Was dürfen schwangere MFA?

Wie schwangere Ärztinnen dürfen auch schwangere MFA viele Arbeiten nicht mehr verrichten. „In der Regel alle Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung“, teilt der Verband medizinischer Fachberufe (VmF) mit. Darunter fielen z.B. Blutentnahmen, Labortätigkeiten mit Körperflüssigkeiten, Funktionsdiagnostik bei der Bildung von Aerosolen, die Assistenz bei chirurgischen Eingriffen und die Wundversorgung. Aufgrund der Pandemie bestehe bei Patientenkontakt Infektionsgefahr. Administrative Tätigkeiten könnten jedoch in einem separaten Raum oder im Homeoffice durchgeführt werden, schlägt der VmF vor. „Auch die Terminvergabe und Bestellprozesse könnten bei einem guten Digitalisierungsgrad der Praxis und unter Beachtung des Datenschutzes und der Datensicherheit von dort erledigt werden.“ Davon abgesehen sei eine Reduzierung der Stressbelastung wünschenswert, aktuell aber nur bedingt möglich. Es komme durchaus vor, dass MFA während der Mutterschutzfrist oder der Elternzeit gekündigt werde.

Details zum Mutterschutz während der Coronapandemie haben das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Ausschuss für Mutterschutz in einem Informationspapier erarbeitet. Es trägt fachwissenschaftliche und rechtliche Bewertungen zusammen, ohne eine rechtsverbindliche Wirkung zu haben. Dort heißt es: „Schwangere dürfen keine Tätigkeiten mit Kontakt zu mit SARS-CoV-2-infizierten Personen verrichten.“ Auch durch Impfung oder Genesung der Schwangeren könne eine Gefährdung nicht zuverlässig ausgeschlossen werden. Sofern in medizinischen Einrichtungen eine Trennung in Bereiche für Patienten mit Verdacht auf Infektion mit SARS-CoV-2 und Bereiche ohne solche Patienten sicher gewährleistet ist (z.B. durch Testung bei Aufnahme), sei zu prüfen, ob die Schwangere im sicheren Bereich eingesetzt werden könne. Der Kontakt mit infizierten Personen soll laut des Papiers grundsätzlich durch ggf. regelmäßige, wenn es sein muss tägliche Testung – vorzugsweise durch PCR-Tests – ausgeschlossen werden. Als Maßnahmen zur Vermeidung von Kontakten werden genannt:
  • Vermeidung von wechselnden Kontakten (z.B. feste Teams),
  • Minimierung des Kontaktes mit Personen, welche selbst ständig wechselnde Kontakte haben,
  • Verringerung der Verweilzeit bei Personenkontakten,
  • Wechsel zu einem Arbeitsplatz ohne vermehrten Personenkontakt,
  • räumliche und organisatorische Trennung von Arbeitsbereichen mit erhöhter Infektionsgefährdung von anderen Arbeitsbereichen,
  • risikomindernde Anpassung des Terminmanagements (telefonische Terminabsprache, Vermeidung voller Wartezimmer)
Gibt es im Betrieb einen begründeten Verdacht auf eine Coronainfektion, dürfen Schwangere gemäß des Papiers für die Dauer der Abklärung nicht beschäftigt werden.

Sind Kollegen erkrankt, muss Freistellung sein

Kam es bei Kollegen einer schwangeren Frau nachweislich zu einer Infektion mit SARS-CoV-2, habe der Arbeitgeber umgehend ein befris­tetes betriebliches Beschäftigungsverbot (Freistellung) bis zum vollendeten 14. Tag nach dem Auftreten des Erkrankungsfalls auszusprechen (Quarantänedauer), bei mehreren Erkrankungsfällen bis zum vollendeten 14. Tag nach dem letzten nachgewiesenen Erkrankungsfall.

Medical-Tribune-Bericht