Mutterschutz im Gesundheitswesen Vorsichtshalber mal Beschäftigungsverbot?
Laut einer Umfrage des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) unter Medizinstudentinnen und Ärztinnen würden 43 % von ihnen eine Schwangerschaft nicht ihrem Arbeitgeber melden. Grund dafür dürfte die Angst vor pauschal verhängten Beschäftigungsverboten sein, die die Ausbildung in Klinik und Praxis verzögern und Karrierechancen mindern. Die Pandemie hat die Situation noch zugespitzt: Es sei der Regelfall, dass schwangere Ärztinnen ein Beschäftigungsverbot erhalten, berichtet Andrea Schannath, Justiziarin des Virchowbundes.
Reform hat Problem noch verschlimmert
Eigentlich sollte eine Novellierung des Mutterschutzgesetzes 2018 die Situation werdender Mütter verbessern – sie hat jedoch das exakte Gegenteil bewirkt. „Die Reform hat in vielen Einrichtungen statt zu einem diskriminierungsfrei gestalteten Mutterschutz zu einer noch häufigeren Verhängung von Beschäftigungsverboten geführt“, heißt es in einem gemeinsamen Brief des DÄB, der BÄK, des Deutschen Hebammenverbands und des Deutschen Pflegerats an die zu diesem Zeitpunkt noch Verhandlungsführenden der Koalition.
Der Pferdefuß der Reform liegt in vagen Formulierungen: „Der Arbeitgeber darf eine schwangere Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, bei denen sie in einem Maß Gefahrstoffen ausgesetzt ist oder sein kann, dass dies für sie oder für ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt“, erklärt PD Dr. Barabara Puhahn-Schmeiser, Vizepräsidentin des Ärztinnenbundes. „Solche weit auslegbaren Gesetzesformulierungen führen dazu, dass Arbeitgeber auf Nummer sicher gehen möchten und viele Tätigkeiten verbieten.“
BÄK-Chef Dr. Klaus Reinhardt gibt zu bedenken, dass dies den Fachkräftemangel verstärke. „Gut ausgebildete Frauen ins Beschäftigungsverbot zu schicken, weil sie schwanger sind, ist schlichtweg verantwortungslos. Wir brauchen einen beschäftigungsfördernden Mutterschutz!“
Mit der Reform des Gesetzes wurde im Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben der „Ausschuss für Mutterschutz“ einberufen, der den Begriff der „unverantwortbaren Gefährdung“ definieren und Regeln erarbeiten soll. Dies scheint allerdings noch zu dauern: Aufgrund des Anspruches an die wissenschaftliche Fundierung von Arbeitsergebnissen könnten diese nicht kurzfristig erarbeitet werden, heißt es auf der Homepage. Es werde noch einige Zeit benötigen, bis derart begründete Regeln, Empfehlungen oder Erkenntnisse und nähere Definitionen dazu vorliegen.
Grundsätzlich soll eine Schwangere ihrem Beruf weiter nachgehen können, ohne sich oder ihr Kind zu gefährden. Arbeitgeber sind verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen für den Schutz ihrer physischen und psychischen Gesundheit zu treffen. Welche Risiken bestehen, müssen sie für jede Tätigkeit in einer Gefährdungsbeurteilung benennen. Es geht dabei um Art, Ausmaß und Dauer der Gefährdung. Liegt bei einer Tätigkeit eine „unverantwortbare Gefährdung“ vor, muss der Arbeitgeber in einer durch das Mutterschutzgesetz definierten Reihenfolge vorgehen: Zunächst hat er Schutzmaßnahmen zu treffen, unter denen die Fortführung der Tätigkeit möglich ist. Wenn dies nicht geht, muss er die Frau an einem anderen Arbeitsplatz einsetzen. Nur, wenn auch dies nicht machbar sein sollte, muss er ein betriebliches Beschäftigungsverbot verhängen – auch, wenn die Schwangere gerne weiterarbeiten würde.
Telemedizin ermöglicht weitere Beschäftigung
In Hausarztpraxen sind Infektionskrankheiten ein mögliches Risiko für Schwangere. Diese können jedoch durch eine Umgestaltung des Tätigkeitsbereichs vermieden werden. Der DÄB gibt zu bedenken, dass viele Leistungen per Videosprechstunde kontaktlos möglich sind. „Beispiele wären Laborbesprechungen, Berichtbesprechungen, akute unkomplizierte Beratungsanlässe wie etwa Insektenstiche, Blasenentzündung oder Impfberatungen. Auch das große Feld der Präventionsmedizin – Krebsvorsorgen, Gesundheitsuntersuchungen, Hautkrebsscreening und so weiter – kann unkompliziert von schwangeren Kolleginnen übernommen werden“, erklärt Dr. Puhahn-Schmeiser.
Was dürfen schwangere MFA?
- Vermeidung von wechselnden Kontakten (z.B. feste Teams),
- Minimierung des Kontaktes mit Personen, welche selbst ständig wechselnde Kontakte haben,
- Verringerung der Verweilzeit bei Personenkontakten,
- Wechsel zu einem Arbeitsplatz ohne vermehrten Personenkontakt,
- räumliche und organisatorische Trennung von Arbeitsbereichen mit erhöhter Infektionsgefährdung von anderen Arbeitsbereichen,
- risikomindernde Anpassung des Terminmanagements (telefonische Terminabsprache, Vermeidung voller Wartezimmer)
Sind Kollegen erkrankt, muss Freistellung sein
Kam es bei Kollegen einer schwangeren Frau nachweislich zu einer Infektion mit SARS-CoV-2, habe der Arbeitgeber umgehend ein befristetes betriebliches Beschäftigungsverbot (Freistellung) bis zum vollendeten 14. Tag nach dem Auftreten des Erkrankungsfalls auszusprechen (Quarantänedauer), bei mehreren Erkrankungsfällen bis zum vollendeten 14. Tag nach dem letzten nachgewiesenen Erkrankungsfall.Medical-Tribune-Bericht