Kommentar Warum diese billigen Fehler?
Erst vor wenigen Monaten ist Karl Lauterbach mit großem Vertrauensvorschuss ins Amt gestartet. Als beliebter Pandemie-Erklärer, Wissenschaftler und Talkshow-Dauergast – und natürlich als Arzt, der das diffizile Gesundheitssystem kennt und über Jahre politisch mitgeprägt hat. Nun aber stolpert der Professor über völlig vermeidbare Missgeschicke und Kommunikationsfehler. Das Verblüffendste: Anders als bei der Impfpflicht, die an mehreren Faktoren scheiterte, verschuldet Lauterbach seine absehbarsten Pannen selbst.
Geradezu beispielhaft ist eine Formulierungshilfe, die er kürzlich zur gesetzlichen Regelung der Triage vorlegte. Sie enthielt einen ethisch umstrittenen Passus zur Ex-Post-Triage. Ärzte dürften die Behandlung eines Patienten demnach abbrechen, wenn die Überlebenschancen eines anderen höher wären. Der sonst eher als beharrend bekannte Lauterbach ließ sich das offenbar gegen seine Überzeugung von FDP-Justizminister Marco Buschmann ins Papier verhandeln. Nach immenser öffentlicher Kritik kassierte er den Entwurf wieder – und verkündete, mit ihm werde es keine Ex-Post-Triage geben. Weitere spektakuläre Rückwärtsrollen exerzierte er bei der (zwischenzeitlich mal von ihm geplanten) Aufhebung der Corona-Isolationspflicht und beim (doch nicht von ihm gestoppten) eRezept.
In vielen Fällen wäre leicht abzusehen, welche Reaktionen seine Vorschläge und seine Rhetorik hervorrufen – das Gerede von der „Killervariante“ lässt grüßen. Es bräuchte nur etwas mehr Voraussicht, längeres Bedenken und gelegentlich ein geschickteres Taktieren. Man sagt dem Minister nach, kein Teamplayer zu sein. Möglicherweise hört er einfach zu selten auf seine Berater? Die Union nutzt die Angriffsfläche jedenfalls vergnügt: In einem offenen Brief listet sie minutiös die bisherigen Fehler auf.
Bis zum Herbst hat Lauterbach Großes vor. Die vehement geforderte Novellierung der GOÄ gehört enttäuschenderweise nicht zu seinen Plänen. Immerhin will er aber das viel kritisierte DRG-System korrigieren (er selbst hat es als Berater Ulla Schmidts einst mitgeschaffen). Um das Mammutprojekt zu bewältigen, gründete er eigens eine Expertenkommission. Vertreter der ärztlichen Selbstverwaltung sind darin allerdings nicht vorgesehen – was erneut befremdet.
Isabel Aulehla
Redaktion Gesundheitspolitik