Protest oder Prösterchen Wie Sie aus dem Stimmungstief herauskommen

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Aus dem Stimmungstief können z.B. politisches Engagement oder besondere Freizeitaktivitäten helfen - je nach Situation und Typ. Aus dem Stimmungstief können z.B. politisches Engagement oder besondere Freizeitaktivitäten helfen - je nach Situation und Typ. © Evgenia – stock.adobe.com

Ach, das Elend mit der nervigen Digitalisierung, den Honorarsteigerungen, die hinter der Kostenentwicklung zurückbleiben, der Schwierigkeit, gutes Personal zu finden, und dem Patientenzulauf, weil benachbarte Praxen ohne Nachfolger schließen. Dazu ein Gesundheitsminister, der sich angeblich bevorzugt mit Cannabislegalisierung, Krankenhäusern und Gesundheitskiosken statt mit der Sicherung der ambulanten ärztlichen Versorgung beschäftigt. Haareraufen oder Sakesaufen – was hilft gegen den Frust, wie ihn Berufsverbände und KVen in der Kollegenschaft feststellen? Hier ein paar Ratschläge gegen individuell schlechte Stimmung.

Dampf ablassen

Wenn man wiederholt mit seinem höflich vorgetragenen Anliegen kein (politisches) Gehör findet, liegt es nahe, lauter zu werden. Das garantiert zwar keinen Erfolg, sorgt aber für mehr Aufmerksamkeit. Zudem höhlt steter Tropfen den Stein. Vor allem, wenn möglichst viele Gesinnungsgenossen genauso vorgehen. Also hier ein paar Vorschläge zum Dampf ablassen: 

Petitionen unterschreiben
Irgendeine Petition zur Sicherung der Gesundheitsversorgung oder gegen die unsichere Digitalisierung läuft immer. Lässt sich online fix unterzeichnen und mit Unterschriften von Patienten, die in der Praxis gesammelt und auch eingereicht werden, verstärken. Schließlich stehen die Ver­sicherten ja immer im Mittelpunkt. 
Beispiel: kbv.de/html/praxenkollaps.php

An Umfragen beteiligen
Ihre Meinung ist gefragt. Auch wenn sie nur in statistischen Werten einer Kohorte kundgetan wird. Wie sehr stimmen Sie tendenziösen Aussagen auf einer Skala von 1 bis 6 zu? Freitext bietet Ihnen die Gelegenheit für einen pointierten Aufsatz, ist aber schlecht auswertbar. Achtung: Umfragen werden im Interesse des Auftraggebers gemacht und sollen seinen Zielen dienen. Sind das auch Ihre? Vielleicht gibt es für den Aufwand immerhin ein Präsent.

Politiker ausbuhen
Die Dynamik einer schützenden Menge erlaubt es einem, mal emotional zu werden. Lassen Sie bei Vorträgen oder Podiumsdiskussionen den Minister oder Politiker*innen der regierenden Parteien unmittelbar hören, was Sie von ihren Äußerungen halten. Etwas fürs Auge sind wiederverwendete Transparente, Schilder und T-Shirts der letzten Protestkundgebung. 

Rufe in die Echokammer
Was früher der Leser- oder offene Brief für die öffentliche Verbreitung der eigenen Meinung war, lässt sich heute in den sogenannten sozialen Medien schneller und weiter streuen. Flottes Kommentieren und flinkes Weiterleiten erzeugen Widerhall. Ob geschlossene Plattform, WhatsApp, Musks X oder YouTube – es sind ausreichend Plätze am digitalen Stammtisch frei. 
Beispiele: Kennen Sie selbst.

Auf die harte Tour
Sie haben die Nase voll. Die Rahmenbedingungen für die Praxisarbeit sind unerträglich. Die Verantwortlichen zeigen sich unbeeindruckt von Protestscheiben und Demos. Ziehen Sie härtere Saiten auf. Im Repertoire sind Leistungseinschränkungen, die Praxis wird stundenweise geschlossen oder nur noch an vier Tagen in der Woche geöffnet. Die Logik ist dieselbe wie beim Ansatz höherer Honorare gemäß der Bundesärztekammer-Wunsch-GOÄ: Die Patienten sollen den Forderungen zur Versorgungssicherung mit ihren Klagen bei der Politik Nachdruck verleihen. 
Beispiele: praxisinnot.de/35/protest-baukasten

Engagement in der Berufspolitik
Sie haben beruflich alles erlebt, was die Profession zu bieten hat? Das Haus ist abbezahlt, die Kinder sind mit dem Studium fertig? CME-Vorträge halten, lastet Sie nicht aus? Dann lassen Sie Ihren kritischen Geist in weiteren Zirkeln zur Entfaltung kommen. Werden Sie aktives Mitglied im Berufsverband und Abgeordneter. Glückliche Fügungen samt tragfähiger Seilschaften ermöglichen Aufgaben in der Selbstverwaltung. Ehrenämter müssen nicht für lau gemacht werden. Marschieren Sie durch die Instanzen. Ob Typ Schlichter oder Hardliner – gute Leute werden immer gebraucht. 

Auftanken

Was sorgt bei selbstständigen Ärzten für positive Stimmung? Künstliche Intelligenz nennt die Quellen der Zufriedenheit, als da wären:

  • Autonomie beruflicher Entscheidungen und bei Arbeitszeiten 
  • Work-Life-Balance 
  • Finanzielle Sicherheit 
  • Erleben von Patientenerfolgen und Genesungen 
  • Dank von Patienten, soziale Anerkennung
  • Harmonisches und effektives Arbeitsumfeld, in dem das Team sich gegenseitig unterstützt 
  • Komfortable Arbeitsumgebung
  • Teamfeiern
  • Erreichen beruflicher Meilensteinen, wie Praxisausbau, Teilnahme an Forschung und Lehre (Weiterbildung), weitere Qualifikation
  • Netzwerken mit Kollegen 
  • Teilnahme an Fortbildungen
  • Gemeinnützige Arbeit
  • Urlaub, Erholung, Gesundheitsförderung

Welche konkreten Aktivitäten können die Laune heben? Hier einige Vorschläge aus der MT-Redaktion (nicht immer ernst gemeint, zum Teil aber auch selbst erprobt und für zumindest vorübergehend wirksam befunden):

  • Perspektivwechsel: Auch Unglück ist relativ. Anderen geht es noch schlechter. Wie ergeht es Klinik­ärzten? Was erleben Mediziner in anderen Ländern der Welt? Haben wir hier eher Luxusprobleme?
  • Delegieren: Unangenehme Arbeiten an einen Mitarbeiter oder externen Dienstleister delegieren. Kostet mehr, vermeidet aber schlechte Laune. 
  • Digitalisierung: Spart Zeit, die man für anderes verwenden kann (wenn sie funktioniert).
  •  Die kleinen Aufreger im Alltag positiver sehen: Eigene Blutdruckspitzen bei Wutanfällen kann nicht jeder direkt an seinem Arbeitsplatz behandeln. Sie schon!
  • News avoidance: Nicht täglich negative Nachrichten konsumieren, sondern lieber Tierfilme oder Bücher etc.
  • Lächeln: Wer lächelt und nett zu anderen ist, bekommt das in der Regel zurück. Variante: Lassen Sie sich Urlaubs-Tipps von Ihren Patienten geben.
  • Gärtnern: Sich erden, im Kleinen etwas Großes schaffen. 
  • Sich selbst beschenken: Sich regelmäßig selbst Gutes tun, z.B.:
    • Buchen Sie einen Tandem-Paragliding-Flug in schöner Umgebung.
    • Machen Sie sich einen entspannten Tag in der Therme. 
    • Unternehmen Sie eine schöne lange Wanderung, auch gerne bei stürmischem Wetter und legen Sie sich hinterher in ein heißes Schaumbad.
    • Bleiben Sie einen ganzen Tag mit Ihrer Frau/Freundin bzw. Ihrem Mann/Freund im Bett zum Lesen, Tee oder Wein trinken, kuscheln, quatschen etc.
    • Besuchen Sie mal wieder eine Theatervorstellung oder gehen Sie ins Kino und anschließend schön essen.
    • Wie wäre es mit Lachyoga?

aktualisiert am 13.11.2023