Beihilfe zum Suizid Wie umgehen mit dem Todeswunsch?
Seit September 2022 läuft eine Online-Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) mit zehn Fragen zum ärztlich assistierten Suizid. Noch bis September 2023 können Ärzte daran teilnehmen. Ein Zwischenergebnis mit den Antworten von 444 Ärztinnen und Ärzten lautet: Rund 18 % lehnen den ärztlich assistierten Suizid ab, während 82 % die Unterstützung befürworten. „Besonders für Palliativpatienten, deren Versorgung nicht erfolgreich war, sowie für chronisch Erkrankte ist die Bereitschaft zum ärztlich assistierten Suizid hoch“, stellt die DGS fest. Bei psychiatrischen Erkrankungen würden in Ausnahmefällen bis zu 50 % der Befragten den Suizid unterstützen.
Beim 129. Kongress der DGIM berichtete der Psychiater und Psychotherapeut Prof. Dr. Dr. Paul Hoff, Präsident der Zentralen Ethikkommission der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften, von der Entwicklung in der Schweiz. Dort ist die Suizidhilfe „nicht verboten“, sofern keine selbstsüchtigen Beweggründe“ vorliegen. Die Ärzteschaft ist zwingend involviert bei der Diagnostik, der Frage der Urteilsfähigkeit und der Ausstellung des Natrium-Pentobarbital-Rezepts. Eine ärztliche Präsenz beim Sterbevorgang ist nicht obligatorisch.
Es obliege stets der persönlichen Entscheidung eines Arztes, ob er einen assistierten Suizid aktiv unterstütze oder nicht, betonte Prof. Hoff. Medizinethische Richtlinien sollen bei der Entscheidungsfindung helfen, ersetzen könnten sie diese aber nicht. Es müssen z.B. mit dem Sterbewilligen mindestens zwei ausführliche Gespräche im Abstand vom mindestens zwei Wochen (Ausnahmen sind möglich) geführt werden.
Bedarf es überhaupt einer Neuregelung der Suizidbeihilfe?
Fragen an Prof. Dr. Jan Schildmann vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
„Der assistierte Suizid ist heute eine gesellschaftliche Realität“, sagte Prof. Hoff. Er verwies auf die intensive öffentliche Diskussion und Berichterstattung zu dem Thema in der Schweiz. Die Sterbehilfeorganisationen Exit und Dignitas sind dort etabliert. Sie haben ca. 155.000 bzw. 10.000 Mitglieder. Seit 2018 übertrifft die jährliche Zahl der assistierten Suizide mit ca. 1.200 die Summe aller anderen Formen der Selbsttötung in der Schweiz.
In Deutschland ringt das Parlament seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.2.2020 zur Verfassungswidrigkeit des § 217 StGB um eine Neuregelung. Der Gesetzgeber hat durchaus die Möglichkeit, einen befürchteten Missbrauch zu verhindern, z.B. durch Einführen von Aufklärungs- und Wartepflichten sowie die Kontrolle der Sterbehilfevereine. Auch der Ausbau von Angeboten zur Suizidprävention und palliativmedizinischer bzw. hospizlicher Versorgungsangebote ist naheliegend.
Vorliegende Gesetzentwürfe sehen u.a. vor, dass die Entscheidung zum Suizid „freiverantwortlich, ernsthaft und von Dauer sein muss“, erläuterte Dr. Merwe Carstens von den Sana Kliniken Lübeck auf dem Internistenkongress. Vorgesehen ist z.B. eine Aufklärung zu Handlungsalternativen, aber auch eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes, das dem Suizidwilligen die Entgegenahme einer tödlichen Substanz ermöglichen würde. Dr. Carstens wies auf die Unterschiede in den Entwürfen und ungeklärte Aspekte hin. Sie erinnerte auch an die Hinweise der Bundesärztekammer zum ärztlichen Umgang mit Todeswünschen. Aktuell bestehe ein rechtliches Risiko für Ärzte bei der Verordnung eines Betäubungsmittels im Rahmen einer Suizidbeihilfe.
Medical-Tribune-Bericht