Neuer Vorstoß für Gesetz zur Sterbehilfe

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Ein neuer, fraktionsübergreifender Gesetzesentwurf befasst sich mit der Regelung der Sterbehilfe in Deutschland. Ein neuer, fraktionsübergreifender Gesetzesentwurf befasst sich mit der Regelung der Sterbehilfe in Deutschland. © Photographee.eu – stock.adobe.com

Das Bundesverfassungsgericht machte 2020 in einem Urteil deutlich, wohin mangelhafte gesetzgeberische Arbeit führen kann: Es erklärte § 217 Strafgesetzbuch für verfassungswidrig und nichtig. Nun sucht die Politik nach Lösungen und wendet sich dabei auch an die Ärzte.

Mit einem Gesetz zur Regelung der Suizidhilfe wollen die Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Professor Dr. Karl Lauterbach (SPD) und Dr. Petra Sitte (Die Linke) das Recht auf einen selbstbestimmten Tod legislativ absichern. Hilfe zur Selbsttötung soll straffrei möglich sein, heißt es in ihrem fraktionsübergreifenden Entwurf. Niemand könne zur Hilfe verpflichtet werden, dennoch dürfe jeder, der dies möchte, einer sterbewilligen, freiverantwortlich handelnden Person helfen, „ohne mit einer Strafe rechnen zu müssen“. In § 1 des vorgeschlagenen Gesetzes schreibt die Initiative: „Jeder, der aus autonom gebildetem, freiem Willen sein Leben beenden möchte, hat das Recht, hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen.“

Niemand müsse helfen, aber jeder dürfe helfen

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe zwar § 217 StGB, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellte, für verfassungswidrig erklärt, zugleich aber klargemacht, dass es ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben gebe, sagt Rechtsanwältin Helling-Plahr. Sie hofft noch auf einen Gesetzesbeschluss in dieser Legislatur. Jedem, der bereit sei zu helfen, müsse ebenso mit Respekt begegnet werden: „Niemand muss helfen, aber jeder darf – unabhängig von der Berufszugehörigkeit“, so die Politikerin, die ein Nachsteuern der Ärztekammern erwartet. Der Gesetzentwurf soll ein Signal für zur Hilfe bereite Ärzte sein. Bisherige Standesrechte der Ärzteschaft seien nach dem BVerfG-Urteil nicht mehr haltbar. 

Mit dem Gesetz soll die ärztliche Verschreibung von Medikamenten zum Zweck der Selbsttötung ermöglicht werden, sofern der verschreibende Arzt von der Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit des Sterbewunsches ausgeht. „Dies ist in der Regel erst dann der Fall, wenn seit der Beratung gemäß § 4 mindestens zehn Tage vergangen sind“, wird klargestellt.

Derzeit sei die Sterbehilfe vollkommen straffrei, aber nicht geregelt, erklärte Prof. Lauterbach. Qualitative Beratungsangebote gebe es nicht, auch den Ärzten sei es nicht erlaubt, ein humanes Sterben zu ermöglichen. Das sei die schlechteste Kombination, die es gebe. Ärzte sollten deshalb durch den Gruppenantrag die Möglichkeiten bekommen, an der Sterbehilfe teilzunehmen. Dann könne diese menschlich stattfinden und nicht missglückte Suizidversuche oder einen Betroffenen gar schwerbehindert zurücklassen. 

Das BVerfG habe den Ärztekammern und dem Deutschen Ärztetag Hausaufgaben gegeben, sich damit auseinanderzusetzen, betont die Ökonomin Dr. Sitte. Das sei deshalb wohl auch auf dem diesjährigen Ärztetag im Frühjahr Thema. Die Linken-Politikerin zeigte sich auch zufrieden, dass mit dem Gruppenantrag Entscheidungen zum Zugang zu Medikamenten für Sterbewillige vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) „auf die ärztliche Ebene zurückgeholt werden“. Das Betäubungsmittelgesetzes soll entsprechend angepasst werden. 

Das BfArM hat bisher keinen der fast 200 vorliegenden Anträge auf Pentobarbital von suizidwilligen Schwerstkranken positiv beschieden. Hintergrund ist ein entsprechender Erlass von Bundesgesundheitsminis­ter Jens Spahn. 

Beim Beratungsangebot habe man sich eng an die Kriterien des BVerfG gehalten, erklärt Dr. Sitte. Laut Gesetzentwurf soll dieses kos­tenfrei für jeden zugänglich sein. Die Länder haben ein ausreichendes plurales Angebot an wohnortnahen Beratungsstellen sicherzustellen. 

Kritiker halten Änderung am BtMG für nicht ausreichend

Für die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben, die Suizidwillige bei BfArM-Anträgen unterstützt, ist der Gesetzentwurf „ein im Grundsatz begrüßenswerter Vorschlag“. Dass die vorgesehene Bescheinigung nur maximal acht Wochen alt sein darf, um ein ärztliches Rezept für eine letale Dosis eines suizidgeeigneten Medikaments zu erhalten, ist für DGHS-Präsident Professor Dr. Robert Roßbruch jedoch nicht akzeptabel. 

Damit werde das Beratungsrecht des Suizidwilligen zu einer Beratungspflicht. Außerdem könne für den Betroffenen ein nicht hinnehmbarer Druck entstehen, dass er schnell vor Ablauf der Acht-Wochen-Frist seinen Suizid realisieren muss. Dies könne nicht ernsthaft gewollt sein, so Rechtsanwalt Prof. Roßbruch. Denkbar wären eher fallspezifische Sorgfaltskriterien

Einen rechtsfreien Raum derzeit sieht der Jurist im Gegensatz zu Prof. Lauterbach nicht. Die derzeitige Rechtslage sei ausreichend, um Missbrauch bei der Suizidhilfe zu verhindern. Die im Gesetzentwurf geplante Änderung im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) ist nach seiner Einschätzung allerdings noch nicht ausreichend. Im Gruppenantrag heißt es: „Die Anwendung oder Verschreibung ist auch begründet, wenn die Voraussetzungen des § 6 des Gesetzes zur Wahrung und Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts am Lebensende (Suizidhilfegesetz) vorliegen.“ Die DGHS hatte in einem eigenen Gesetzentwurf die Voraussetzungen ihrerseits sehr detailliert beschrieben .

Einen weiteren Gesetzentwurf haben kürzlich auch Abgeordnete um Renate Künast und Katja Keul (B‘90/Die Grünen) präsentiert. Unterschieden wird hier zwischen Schwerkranken und Menschen, die aus anderen Gründen suizidwillig sind. „Für alle Fälle aber gilt, dass heute Sterbehilfe stattfindet und wir als Gesetzgeber den Zugang zu Mitteln regeln müssen und zugleich den Schutz vor Missbrauch organisieren müssen“, so Rechtsanwältin Keul. Die Abgeordneten beabsichtigen aber in jedem Fall, dass die Debatte über die Umsetzung der Entscheidung im Bundestag und außerhalb in Bewegung kommt.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, hatte bereits 2020 im „Spiegel“ auf notwendige Änderungen in der Berufsordnung hingewiesen: „Wir können nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts keine Norm aufrechterhalten, die dem Arzt jede Form von Unterstützung untersagt. Die Berufsordnung kann so nicht bleiben.“ Einen Zwang für Ärzte zur Hilfe lehnt er aber strikt ab. Der nächste Deutsche Ärztetag findet im Mai statt.

Medical-Tribune-Bericht