Zauberhaftes Hobby: Vom weißen Kittel ins glitzernde Bühnenoutfit
Eine gewisse Bühnenpräsenz sollte man schon mitbringen“, sagt die Allgemeinärztin Dr. Cindy Keller. Neben ihrer Halbtagsanstellung in einer Praxis in Waiblingen, nahe Stuttgart, hat die Medizinerin ein ganz spezielles Hobby: Seit elf Jahren assistiert sie dem Großillusionisten Julius Frack und tritt mit ihm weltweit auf Bühnen auf.
Neben der Bühnenpräsenz seien ein hohes Maß an Disziplin, Improvisationsfähigkeit und Geduld Eigenschaften, die man als Assistentin eines Illusionisten besitzen sollte. Die 35-Jährige besitzt sie alle. Auch zimperlich dürfe man nicht sein, da man sich bei Auftritten schon mal blaue Flecken holen würde. Dabei hat die Ärztin ein sehr gutes Körpergefühl, denn seit ihrer Kindheit tanzt sie Ballett.
Frack entdeckte die damals 24-jährige Medizinstudentin bei einem Tanzauftritt während einer Hochschulgala der Universität Tübingen. „Ich empfand Zauberei immer als ein bisschen unheimlich“, bemerkt die sympathische Schwäbin. Lange dauerte es aber trotzdem nicht, bis Dr. Keller und Frack als Kollegen Ideen für ihre ersten gemeinsamen Auftritte entwickelten. Auch der erste Erfolg stellte sich rasch ein: Im Jahr 2009 gewannen sie die Magier-Weltmeisterschaften in Peking – obwohl sich Dr. Keller während des Auftrittes einen Zeh brach.
Indien, Kolumbien, China oder Japan – in den elf Jahren als Zauberei-Assistentin ist die Hausärztin weit rumgekommen. Zwar blieb nicht immer viel Zeit für Sightseeing zwischen Probe, Auftritt und Rückreise, aber „für Sushi essen in Tokyo hat‘s gereicht“, erzählt die gebürtige Waiblingerin stolz. In Indien haben Frack, Dr. Keller und ihr Freund, mit dem sie schon seit 18 Jahren zusammen ist, anstelle der Gage vom Veranstalter eine Rundreise geboten bekommen.
Für die Auftritte, die unregelmäßig im Jahr und nur nach vorheriger Buchung stattfinden, muss natürlich geübt werden. Bei den bekannten Showeinlagen wie der Schwebenummer sind Frack und Dr. Keller schon ein „eingespieltes Team“. Auf Körperspannung kommt es hier besonders an, erzählt die Ärztin.
Schweigepflicht in der Medizin und beim Zaubern
Illusionist wie Assistentin müssen bei den Auftritten darauf achten, dass jeder Handgriff sitzt, sodass die Illusion für die Zuschauer gelingt. Wie die Tricks genau funktionieren, will Dr. Keller natürlich nicht verraten. „Genauso wie in der Medizin herrscht hier Schweigepflicht“, betont sie. Nur so viel sei gesagt: Unter anderem ist die Abstimmung mit der Musik ein wichtiger Punkt, um das Zusammenspiel zwischen Illusionist und Assistenin sowie das Timing für die Effekte zu perfektionieren. Dabei ist die Lieblingsnummer der Ärztin das „Schneiderlein“, bei der Frack zu Beginn einen etwas konfusen Schneider spielt, der in seiner Werkstatt mit unterschiedlichen Gegenständen zu zaubern beginnt. Wenig später kleidet er eine Schaufensterpuppe ein, die sich dann in die junge Assistentin verwandelt. „Ich finde die Nummer schön, weil sie eine Geschichte erzählt“, bemerkt Dr. Keller.
Doch nicht zu jedem Auftritt kann die Medizinerin den Illusionisten begleiten. Als dieser letztes Jahr drei Monate auf einem Schiff verbrachte, musste die Stelle der Assistentin neu besetzt werden. „Ich kann keine drei Monate bei meinen Patienten fehlen, da liegt die Priorität ganz klar auf der Praxis.“
Dabei haben die Zauberei und die Medizin laut Dr. Keller durchaus Ähnlichkeiten. So ist es ihr wichtig sowohl im Umgang mit ihren Patienten als auch auf der Bühne ihr Handeln stets zu überprüfen und zu hinterfragen. „Natürlich kommt bei beidem Routine auf, trotzdem muss man konzentriert bleiben und das Ganze auch mal von einem anderen Blickwinkel betrachten.“
Das lässt sich auch für ihr anderes Hobby, das Tanzen, sagen. Seit 2010 ist die Hausärztin als Dozentin für Anatomie und Tanzmedizin an einer Tanzakademie in Winnenden tätig. Dort gibt sie ihr medizinisches Wissen in anatomischen Grundlagen an die Akademie-Studenten weiter. So lernen diese zum Beispiel, wie man die Gelenke schont und ein Warm-up vorbereitet. „Es geht mir darum, dass die Studenten ihren Blick schulen, sodass sie später in ihrem Unterricht mögliche Überlastungsschäden zu verhindern wissen und zum Beispiel im Kindertanz einen der anatomischen Entwicklung des Kindes angepassten Unterricht halten können.“
Eine „Tanz-Sprechstunde“ für Tänzer ist in der Planung
Dass die Ärztin das Tanzen mit der Medizin verbinden möchte, spiegelt sich in ihrem Projekt wider, dass derzeit noch in den Kinderschuhen steckt. Zusammen mit dem Tanzmedizinischen Verband Deutschland plant sie einmal im Monat in den Räumen der Tanzakademie eine Art „Tanz-Sprechstunde“, in der sie auf die speziellen medizinischen Bedürfnisse von Tänzern eingehen kann. Wie viele Jahre sie noch die Assistentin von Illusionist Frack sein wird, weiß die Ärztin nicht vorherzusagen. Sicher ist nur eins: Der nächste Auftritt steht schon bevor – auf der 18. Tübinger Zaubergala, die am 25. März stattfindet.