60 % Wirkstoffeffekt, 40 % Einbildung

Maria Weiß

Wie Ärzte den Therapieerfolg von Antidepressiva einschätzen. Wie Ärzte den Therapieerfolg von Antidepressiva einschätzen. © fotolia/Lars Zahner

In allen Studien zur Therapie mit Antidepressiva gibt es nicht nur einen großen Placebo-, sondern auch einen Nocebo-Effekt. Wie beurteilen Ärzte im klinischen Alltag diese Einflüsse?

Man geht davon aus, dass die Effektivität von Antidepressiva bis zu 75 % auf einem Placebo-Effekt beruht. Nicht selten nutzen Ärzte diesen Effekt – z.B. indem sie Antidepressiva in Dosierungen verschreiben, von denen eigentlich keine pharmakologische Wirkung zu erwarten ist. Die andere Seite der Medaille: der Nocebo-Effekt. Nach Lesen des Beipackzettels oder entsprechender ärztlicher Aufklärung geben Patienten eventuell vermehrt Nebenwirkungen an, die zu mangelnder Adhärenz und Therapieabbruch führen können.

87 Ärzte verschiedener Fachrichtungen, die Mehrheit (40,2 %) Psychiater, nahmen an einer Online-Umfrage zu dieser Thematik teil, wie Lea Kampermann vom Institut für systemische Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Kollegen berichten.

Die meisten Befragten waren grundsätzlich von der Effektivität von Antidepressiva überzeugt, wobei sie den Anteil unspezifischer nicht-pharmakologischer Effekte auf etwa 40 % schätzten.

Nur jeder vierte Arzt glaubt, negative Folgen zu fördern

Sowohl in Bezug auf die Wirksamkeit (93,1 %) als auch auf die Nebenwirkungen (80,5 %) sah das Gros der Ärzte den pharmakologischen Effekt als wichtigsten Faktor an. Aber den Erwartungen des Patienten wurde in beiden Punkten ebenfalls eine wichtige Rolle zugeschrieben (63,2 % bzw. 58,6 % Übereinstimmung) – genauso wie den Erfahrungen mit vorangegangenen Therapien (60,9 % bzw. 56,3 %).

Eine weitere Frage betraf die eigene Rolle bei der Vermittlung der unspezifischen Effekte. Für die Verstärkung der Wirksamkeit am wichtigsten hielten die meisten Mediziner ein gutes Arzt-Patienten-Verhältnis (58,6 %), gefolgt von den eigenen positiven Erwartungen an die Therapie (41,4 %). Deutlich geringer beurteilten die Teilnehmer ihren Einfluss in Bezug auf die Nebenwirkungen: Nur ein Viertel glaubte, dass die Aufklärung der Patienten über unerwünschte Effekte Nebenwirkungen induzieren kann – bei den eigenen Erwartungen lag die Rate mit 17,2 % noch geringer.

Die gezielte Nutzung von Placebo-Effekten, aber auch die stärkere Vermeidung von Nocebo-Effekten könnte in Zukunft die antidepressive Therapie noch verbessern, so die Autoren. 

Quelle: Kampermann L et al. PLoS ONE 2017; 12: e017819

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