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Aktuelle Leitlinie zum Vorgehen bei Hochbetagten mit oder ohne Harnwegsinfekt

Harnwegsinfekte (HWI) und asymptomatische Bakteriurien finden sich gehäuft bei geriatrischen Patienten. Letztere betreffen 15–40 % der männlichen Heimbewohner und 25–50 % der weiblichen. Leben die Hochbetagten noch im eigenen Haus, ist immerhin jeder 17. Mann und jede 5. Frau betroffen. Von einem Screening asymptomatischer Senioren (mit und ohne Urinkatheter) rät die DEGAM in ihrer neuen Leitlinie „Brennen beim Wasserlassen“ daher ab.
Harnstreifentest und Urinkultur alleine reichen zur Diagnose nicht. Ein bezüglich Nitrit und Leukozyten negativer Streifentest schließt einen HWI allerdings weitgehend aus. Bei Heimbewohnern ohne Katheter haben sich drei prädiktive Symptome herauskristallisiert:
- Dysurie (relatives Risiko, RR, 1,49)
- Änderung im Aussehen des Urins (RR 1,46)
- Entwicklung von psychiatrischen Symptomen (RR 1,38)
Zu bedenken ist, dass auch schwere Infekte im Alter seltener Fieber verursachen. Die Entscheidung für oder gegen eine antibiotische Therapie richtet sich daher nach Urinuntersuchung plus Gesamteindruck. Gerade bei geriatrischen Patienten zählt die Entstehung einer Pyelonephritis/Sepsis zu den abwendbaren gefährlichen Verläufen.
Keine Antibiotika bei asymptomatischer Bakteriurie!
Neben der akuten Dysurie (ggf. mit Fieber) sprechen neu aufgetretener oder verstärkter Harndrang, Pollakisurie, suprapubische Schmerzen, Makrohämaturie und schmerzhafte(s) Nierenlager für einen behandlungsbedürftigen HWI. Trägt der Patient einen Dauerkatheter, genügen neu aufgetretene Schmerzen der Nierenlager, Schüttelfrost oder eine Verschlechterung des mentalen Zustandes als Therapieargument. Der Testurin für die Kultur sollte übrigens möglichst aus einem neu gelegten Katheter stammen.
Eine asymptomatische Bakteriurie dagegen sollte auch bei Katheterträgern nicht antibiotisch behandelt werden, erinnert die Leitlinie. Im Alter eignen sich prinzipiell die gleichen Medikamente wie bei jüngeren Erwachsenen (Trimethoprim, Pivmecillinam, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Fosfomycin). Jedoch gilt es, Arzneimittelinteraktionen und mögliche Nebenwirkungen besonders zu beachten und z.B. Nierenfunktion oder QT-Zeit unter Therapie zu prüfen. Nitrofurantoin nach aktueller Datenlage scheint bei einer GFR > 40 ml/min/1,73 m2 geeignet zu sein. Während die Antibiotikatherapie bei liegendem Urinkatheter sieben Tage dauern sollte, bringt eine Kurzzeitgabe (3–6 Tage) älteren Frauen, die zu Hause leben, keine Nachteile, heißt es in der Leitlinie. Heimbewohnerinnen profitieren möglicherwiese von einer längeren Behandlung (7–14 Tage).
HWI-Risikofaktoren in der Geriatrie (Auswahl)
- vorhandene Vaginitis (20-fach erhöhtes Risiko)
- Urininkontinenz (6-fach erhöhtes Risiko)
- sexuelle Aktivität
- kognitive Einschränkungen (Mini-Mental-Status-Test < 19)
- Einschränkungen der Aktivitäten des täglichen Lebens
Besserer Tragekomfort mit suprapubischem Katheter
Bei kurzzeitigen Katheterisierungen (< 30 Tage) bremsen silber- oder nitrofurazonbeschichtete Systeme womöglich die asymptomatische Bakteriurie. Ob das für Dauerkatheter ebenso gilt, ist unklar. Dürftig ist die Studienlage auch zu Schutzeffekten von urethralen vs. suprapubischen Kathetern sowie zum Nutzen von Spülungen. Für die suprapubische Ableitung sprechen ein höherer Tragekomfort und das geringere Risiko für Harnröhrenstrikturen.Quelle: S3-Leitlinie „Brennen beim Wasserlassen“ AWMF-Register Nr. 053-001, www.awmf.org
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