Barbarisches Ritual: Chronischer Harnwegsinfekt durch Beschneidung

Maria Weiß

Rasierklingen, Messer oder Scherben - je nach Ritus werden unterschiedliche Gegenstände zur Durchführung der Beschneidung verwendet. Rasierklingen, Messer oder Scherben - je nach Ritus werden unterschiedliche Gegenstände zur Durchführung der Beschneidung verwendet. © istockphoto.com/Riccardo Lennart Niels Mayer

Zunehmend sind Ärzte hierzulande mit den Spätfolgen rituell vorgenommener weiblicher Beschneidungen konfrontiert. Häufig ist der Harntrakt betroffen.

Die Beschneidung von Klitoris und Schamlippen wird in 28 afrikanischen Ländern, Teilen des Mittleren Ostens und Asiens praktiziert. Weltweit leben etwa 140 Millionen Frauen, die in ihrer Kindheit oder Jugend beschnitten wurden. In Deutschland geht man von etwa 100 000 Betroffenen aus und jedes Jahr kommen etwa 3000 hinzu. Grob lassen sich drei Typen der Beschneidung unterscheiden, erläuterte Professor Dr. Armin Pycha, Abteilung für Urologie und Kinderurologie am Zentralkrankenhaus Bozen:

  • Typ I: Entfernung der Klitoris
  • Typ II: Zusätzliche Entfernung der kleinen Schamlippen
  • Typ III: Entfernung des gesamten Weichgewebes des äußeren Geschlechts, Aneinandernähen der Wundränder unter Belassung einer kleinen Öffnung für Urin und Menstrualblut (Infibulation)

In den allermeisten Fällen werden die rituellen Beschneidungen bei 4- bis 14-jährigen Mädchen von nicht medizinisch geschulten Personen unter unsterilen Verhältnissen vorgenommen. Je nach Tradition und Ritus kommen dabei Rasierklingen, Messer oder auch Scherben zum Einsatz.

Akutfolge ist neben Schmerzen, Fieber und Infektionen häufig ein schmerzbedingter Harnverhalt, der durch das Zusammenbinden der Beine nach dem Eingriff noch begünstigt wird. Auch Verletzungen von Anus, Urethra und Arterien der Vaginalwand sind nicht selten. Die Todesrate bei den Mädchen wird auf 6–16 % geschätzt. In Europa kommt man in der Regel nicht mit den Akut­symptomen in Berührung – wohl aber mit den urologischen Folgeerkrankungen, die etwa 30 % aller Spätkomplikationen ausmachen.

Am häufigsten sind chronische Harnwegsinfekte aufgrund von Narbenbildungen nach einer Typ-III-Beschneidung, die keine normale Miktion erlauben, erklärte der Experte. Weiterhin kommt es durch narbige Strikturen oder Epidermoidzysten häufig zu Harnwegs­obstruktionen. Folgen sind Restharn, Harnverhalt und Blasensteine, die wiederum zum Painful-Bladder-Syndrom führen können. Endstadium kann eine Stauungsniere mit Niereninsuffizienz sein.

Die anamnestische Frage, ob eine Beschneidung stattgefunden hat, bringt oft nicht weiter, so die Erfahrung Prof. Pychas. Hier sind sehr viel Einfühlungsvermögen und eine vorsichtige Inspektion angezeigt – häufig muss ein Dolmetscher mit Kenntnis der kulturellen Gegebenheiten hinzugezogen werden.

Quelle: 69. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie

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Rasierklingen, Messer oder Scherben - je nach Ritus werden unterschiedliche Gegenstände zur Durchführung der Beschneidung verwendet. Rasierklingen, Messer oder Scherben - je nach Ritus werden unterschiedliche Gegenstände zur Durchführung der Beschneidung verwendet. © istockphoto.com/Riccardo Lennart Niels Mayer