Akut-auf-chronisches Leberversagen: Rund ein Drittel der Patienten stirbt innerhalb von 28 Tagen

Dr. Barbara Kreutzkamp

Die besten Überlebenschancen bei akut-auf-chronischem Leberversagen bietet eine Transplantation. Die besten Überlebenschancen bei akut-auf-chronischem Leberversagen bietet eine Transplantation. © magicmine – stock.adobe.com

Patienten mit akut dekompensierter Leberzirrhose, starker systemischer Inflammation und zusätzlichem Organversagen haben eine besonders schlechte Kurzzeitprognose­. Bei dem relativ neuen Krankheitsbild des akut-auf-chronischen Leberversagens geht es zunächst darum, den Auslöser zu therapieren.

Das akut-auf-chronische Leberversagen (acute-on-chronic liver failure, ACLF) ist ein in den letzten Jahren als eigenständige Entität beschriebenes Syndrom, dessen exakte Definition sich derzeit noch entwickelt. Ein Team von Experten der European Foundation for the Study of Chronic Liver Failure (EF Clif) und der European Association for the Study of the Liver – Chronic Liver Failure (EASL-CLIF) um Professor Dr. Vincente­ Arroyo­ bietet einen Überblick über den derzeitigen Forschungsstand.

Das ACLF wird von den europäischen Fachgesellschaften definiert als eine akute Dekompensation einer Leberzirrhose, die im Kontext einer ausgeprägten systemischen Inflammation auftritt. Meist versagen zusätzlich Niere und evtl. weitere Organe. Das ACLF geht mit einer hohen Kurzzeitmortalität innerhalb von 28 Tagen nach stationärer Aufnahme einher. Auslöser sind u.a. Infektionen oder Hepatitiden.

Die Definition basiert auf einer prospektiven Untersuchung von 1343 konsekutiven Patienten, die wegen einer akut dekompensierten Zirrhose stationär behandelt wurden. Außereuropäische Fachgesellschaften haben im Prinzip vergleichbare ACLF-Definitionen, unterscheiden sich aber mitunter hinsichtlich ihrer Einschlusskriterien (z.B. extrahepatisches Organversagen).

Gastroinstestinale Blutungen möglicherweise ein Trigger

Das akut-auf-chronische Leberversagen betrifft vor allem Patienten mit einer alkoholbedingten Zirrhose. Bei 60 % der in die EASL-CLIF-Studie einbezogenen Patienten waren vorausgehende Ereignisse wie eine alkoholische bzw. virale Hepatitis oder eine extrahepatische, meist bakterielle Infektion erkennbar. Möglicherweise sind auch gastrointestinale (Varizen-)Blutungen ein ACLF-Trigger, nach weiteren Auslösern wird derzeit gesucht. Die 28- bzw. 90-Tage-Mortalität betrug bei den ACLF-Patienten der europäischen Studie 32,8 % bzw. 51,2 %.

Pathophysiologisch stehen eine ausgeprägte systemische Inflammation sowie oxidativer Stress im Vordergrund – ein Zustand, der bei Patienten mit „einfacher“ akuter Zirrhose-Dekompensation ohne Organversagen fehlt. Das Ausmaß der Systeminflammation korreliert mit der Erkrankungsschwere beziehungsweise der Anzahl der versagenden Organe und dem Kurzzeitüberleben.

Vorrangig wird das auslösende Ereignis behandelt. Das sind z.B. bakterielle oder Pilzinfektionen, die spezifisch in Abhängigkeit von Spezies, befallenem Organ und Resistenzlage behandelt werden. Wird eine Hepatitis B als Trigger identifiziert, sind Nucleosid-/Nucleotid-Analoga wie z.B. Tenofovir die Therapie der ersten Wahl.

Bei einer alkoholischen Hepatitis kommt in erster Linie Prednisolon zum Einsatz, das im Falle eines Ansprechens der Therapie über 28 Tage gegeben wird. Bei ausfallendem Ansprechen, definiert als Lille-Score über 0,45 oder höher an Tag 7, wird der Entzündungshemmer wieder abgesetzt. Die Prognose dieser Nonres­ponder ist besonders schlecht. Die Therapie einer akuten Varizenblutung erfolgt mit einer vasokonstriktorischen Kombinationstherapie z.B. mit Terlipressin, Somatostatin und/oder Octreotid über bis zu fünf Tage, endoskopischer Varizenligation und Ceftriaxon-Kurzzeitprophylaxe.

Lebertransplantation bietet die besten Chancen

Die zweite Säule beim ACLF ist die Organsupportivtherapie. Bei Nierenversagen sollen Diuretika abgesetzt werden, es erfolgt eine Volumensubstitution plus Albumin i.v., gegebenenfalls wird die Gabe eines Vasokonstriktors notwendig. Im Falle einer Enzephalopathie ist Lactulose das Mittel der ersten Wahl, bei Nichtansprechen und schwerem Verlauf kommt eine Albumindialyse infrage.

Ob die extrakorporale Unterstützung der Leberfunktionen wirklich hilft, ist noch nicht geklärt. Leber-Dialyseverfahren mit Plasmaaustausch befinden sich derzeit in Erprobung. Nach wie vor die besten Chancen haben ACLF-Patienten nach einer Lebertransplantation. Die Einjahres-Überlebensraten betragen für Patienten mit multiplem Organversagen bis zu 80 % – im Vergleich zu 20 % ohne Transplantation.

Quelle: Arroyo V et al. N Engl J Med 2020; 382: 2137-2145; DOI: 10.1056/NEJMra1914900

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