Leberversagen: Wenn Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel hepatotoxisch wirken

Kathrin Strobel

Infekt geheilt, Leber kaputt: Nahrungsergänzungsmittel sollen das Wohlbefinden steigern. Stattdessen führen sie nicht selten zu Leberschäden. Infekt geheilt, Leber kaputt: Nahrungsergänzungsmittel sollen das Wohlbefinden steigern. Stattdessen führen sie nicht selten zu Leberschäden. © ExQuisine, Al – stock.adobe.com

Ein großer Teil der Fälle akuten Leberversagens geht auf Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel zurück. Die Liste der schädigenden Stoffe ist lang – und wird immer länger.

Medikamenteninduzierte Hepatopathien zu diagnostizieren ist nicht trivial. Abgesehen von wenigen Ausnahmen existieren keine spezifischen Biomarker oder Tests, die sich für die Diagnostik nutzen ließen. Es handelt sich immer um eine Ausschlussdia­gnose. Die Hauptindizien, die für eine durch Medikamente oder andere Substanzen hervorgerufene Leberschädigung sprechen, sind

  • Auftreten nach Einnahme eines Arznei- oder Nahrungsmittels,
  • Besserung nach Absetzen,
  • Wiederkehren der Symptome nach erneuter Exposition,
  • bekannte Hepatotoxizität des eingenommenen Präparats.

Man unterscheidet zwischen intrinsischer und idiosynkratischer Hepatotoxizität. Nach Einnahme einer intrinsisch hepatotoxischen Substanz tritt die Leberschädigung meist unmittelbar auf. Es besteht eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung, die Toxizität lässt sich in Tierversuchen reproduzieren. Diese Form der Hepatotoxizität ist am häufigsten.

Antibiotika stehen ganz oben auf der Liste

Dagegen sind idiosynkratische Arzneimittelreaktionen viel schwieriger zu erkennen. Denn sie werden von Agenzien hervorgerufen, die per se nicht oder nur leicht hepatotoxisch sind – und nur sehr selten zu einer Leberschädigung führen. Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung gibt es nicht, die Symptome lassen sich im Tiermodell nicht reproduzieren.

Interessanterweise handelt es sich bei einem Großteil der Stoffe, die am häufigsten zu einer idiosynkratischen Leberschädigung führen, um Antibiotika.

Top 10 der verschreibungspflichtigen hepatotoxischen Medikamente

  1. Amoxicillin-Clavulansäure (10,1 %)
  2. Isoniazid (5,3 %)
  3. Nitrofurantoin (4,7 %)
  4. Trimethoprim/Sulfamethoxazol (3,4 %)
  5. Minocyclin (3,1 %)
  6. Cefazolin (2,2 %)
  7. Azithromycin (2,0 %)
  8. Ciprofloxacin (1,8 %)
  9. Levofloxacin (1,4 %)
  10. Diclofenac (1,3 %)

Die Angaben basieren auf den Daten von 899 Fällen medikamenteninduzierter Leberschädigung in den USA in den Jahren 2004 bis 2013. Die jeweilige relative Häufigkeit ist in Prozent angegeben.

Zwar werden diese Medikamente im Vergleich zu anderen am häufigsten mit Leberschäden in Verbindung gebracht – dies bedeutet allerdings nicht, dass Leberschäden unter Therapie mit diesen Medikamenten häufig auftreten, betonen Dr. Jay­ H. Hoofnagle­ vom National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases in Bethesda und Dr. Einar­ S. Björnsson­. So liegt die Inzidenz z.B. im Falle von Isoniazid bei schätzungsweise 1 pro 1000 Expositionen und bei Diclofenac bei 1 je 10 000. Ein stetig größer werdendes Problem sind Nahrungsergänzungsmittel. Studien zufolge ging die Anzahl der Leberschäden, die sich auf Supplemente zurückführen lassen, in den letzten Jahren steil nach oben: von 7–9 % in den Jahren 2004 bis 2007 auf 19–20 % in den Jahren 2010 bis 2014.

Akutes Leberversagen durch Nahrungsergänzungsmittel

Meist sind es aus verschiedensten Zutaten bestehende Präparate zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens, des Gewichts, der Sexualfunktion, der Gehirnleistung oder des Muskelaufbaus, unter denen die Leber leidet. Aber auch Extrakten aus grünem Tee werden leberschädigende Wirkungen nachgesagt. Die entstehenden Schäden sind oft dras­tisch: Am häufigsten entwickelt sich eine schwere akute hepatozelluläre Hepatitis, die nicht selten zu Leberversagen und der Notwendigkeit einer Transplantation führt.

Quelle: Hoofnagle JH, Björnsson ES. N Engl J Med 2019; 381: 264-273; DOI: 10.1056/NEJMra1816149

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