Leberschaden? Aber „natürlich“ - Hepatoxizität von Phytopharmaka und Nahrungsergänzungsmitteln wird unterschätzt
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Natürliches ist nicht gleich „sicher“. Dieser Grundsatz muss gerade im Hinblick auf pflanzliche Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel mehr Beachtung finden, fordern Dr. Thomas Greuter und seine Kollegen vom Forschungslabor der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie des Universitätsspitals Zürich. Denn Studien zufolge sind bis zu 20 % der von Medikamenten induzierten Leberschäden auf entprechende Präparate zurückzuführen.
Pharmakovigilanz – Fehlanzeige!
Die Dunkelziffer dürfte jedoch wesentlich größer sein, betonen die Autoren. Der Grund: Im Gegensatz zu synthetischen Medikamenten existiert für pflanzliche Heil- und Nahrungsergänzungsmittel kein Pharmakovigilanzsystem. Patienten und Ärzten ist das hepatotoxische Potenzial der Präparate häufig nicht bewusst. Außerdem informieren Patienten ihre Ärzte nur selten über die Selbstmedikation, z.B. weil sie befürchten, nicht ernst genommen zu werden.
Viele Phytopharmaka und Nahrungsergänzungsmittel sind aufgrund ihres hepatotoxischen Potenzials in Deutschland nicht (zur oralen Einnahme) zugelassen. Beispiele hierfür sind Sonnenwende (Heliotropium), Geiskraut (Senecio) und Beinwell (Symphytum). Die darin enthaltenen Pyrrolizidinalkaloide können eine Lebervenenverschlusskrankheit und hepatozelluläre Schäden verursachen.
Mehrere Fälle von Hepatitiden bis hin zum akuten Leberversagen traten im Zusammenhang mit der Einnahme von Mischpräparaten auf, die in der traditionellen chinesischen Medizin verwendet werden. Diese enthielten Lycopodium serratum (eine Bärlapp-Art), Ephedra, gemeine Pfingstrose oder vielblütigen Knöterich.
Zubereitungen des bei Gallen- und Verdauungsbeschwerden eingesetzten heimischen Schöllkrauts sind ab einem Chelidonin-Anteil von über 2,5 mg in Deutschland verboten. Einige „Diätpillen“ mit pflanzlichen Inhaltsstoffen, z.B. Bartflechte, wurden wegen ihres hepatotoxischen Potenzials wieder vom Markt genommen. Auch nach dem Konsum von angstlösender Kava sowie von Gamander zur Gewichtsreduktion wurden Leberschäden beobachtet.
Aufgrund der meist unspezifischen Symptomatik wie Übelkeit, Oberbauchschmerz und Ikterus ist die Diagnose einer medikamenten-induzierten Hepatotoxizität schwierig. Sie beruht im Wesentlichen auf dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen. Hierzu zählen virale, alkoholische und autoimmune Hepatitiden sowie metabolische und genetische Erkrankungen. Bei Verdacht auf eine toxische Schädigung sind daher Auto-Antikörper, Ferritin, α1-Antitrypsin und Ceruloplasmin zu bestimmen. Da sich eine akute Hepatitis durch pflanzliche Präparate klinisch nicht von einer viralen Hepatitis unterscheidet, sollte zudem eine Virusserologie erfolgen.
Anstieg von ALAT, ASAT und Gesamtbili richtig einordnen
In Bezug auf die Laborwerte liegt eine DILI* dann vor, wenn der Spiegel der ALAT bzw. des konjugierten Bilirubins mehr als doppelt so hoch ist wie der obere Normwert oder wenn ASAT, AP und Gesamtbilirubin erhöht sind und gleichzeitig ein Wert das Zweifache der Norm übersteigt.
Das A und O der Diagnostik ist jedoch, die Möglichkeit einer medikamenteninduzierten Hepatotoxizität überhaupt in Betracht zu ziehen. Eine sorgfältige Medikamentenanamnese sowie eine umfassende Literaturrecherche sind wichtige Schritte um zu klären, ob eine Leberschädigung auf die Einnahme eines potenziell hepatotoxischen Medikaments zurückzuführen ist. Trotz aller Bemühungen gelingt es jedoch in vielen Fällen nicht, den kausalen Zusammenhang zweifelsfrei zu belegen.
Heilmittel als Lebergift
Die Zahl der diagnostizierten Schäden wird steigen
„Pflanzliche Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel gelten gemeinhin zwar als unbedenklich, sollten aber unbedingt in die Differenzialdiagnose eines akuten oder chronischen Leberschadens miteinbezogen werden“, fassen die Kollegen zusammen. Schließlich belegen wissenschaftliche Untersuchungen: Leberschädigungen durch entsprechende Präparate sind wesentlich häufiger als angenommen und nehmen nicht selten einen schweren Verlauf. Die große Beliebtheit alternativer Heilmethoden und das zunehmende Wissen um ihre potenziellen Risiken werden dazu führen, dass medikamenteninduzierte Leberschäden in Zukunft häufiger diagnostiziert werden, so die Prognose der Autoren.* drug-induced liver injury
Quelle: Aus der Fachliteratur
Quelle: Greuter T et al. internistische praxis 2017; 57: 681-691
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