Phytomedizin kann in der Kardiologie kaum überzeugen

Dr. Anja Braunwarth

Weißdorn (links), Arjuna-Rinde (rechts oben), Roter Reis (rechts unten) und Curcumin (Mitte) - diese Phytopharmaka wurden auf Herz und Nieren getestet. Weißdorn (links), Arjuna-Rinde (rechts oben), Roter Reis (rechts unten) und Curcumin (Mitte) - diese Phytopharmaka wurden auf Herz und Nieren getestet. © fotolia/Hendraxu, fotolia/M. Schuppich, iStock/bdspn, iStock/xamtiw

Wenn es um komplementär- und alternativmedizinische Therapien geht, ist Deutschland im europäischen Vergleich Spitzenreiter. Auch im kardiovaskulären Bereich kommt hierzulande gerne „Natürliches“ zum Einsatz. So recht überzeugen kann allerdings kein Produkt.

Als erstes Phytotherapeutikum fürs Herz stellte der klinische Pharmakologe Professor Dr. Sebastian Harder von der Universität Frankfurt den Weißdorn vor. Er wirkt im Tier und in humanen Gewebekulturen positiv inotrop, kardioprotektiv durch Reduktion oxidativen Stresses und antiinflammatorisch. Außerdem hemmt er die Plättchenaggregation und bessert die Endothelreaktion auf Stickoxid – soweit die präklinischen Ergebnisse.

Eine multinationale Studie an 2681 Patienten im NYHA-Stadium II oder III und mit eingeschränkter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF < 35 %) fiel dagegen ernüchternd aus. 900 mg/d Crataegus-Extrakt WS 1442, zwei Jahre lang zusätzlich zur Standardtherapie gegeben, waren im Hinblick auf den Endpunkt kardiovaskulärer Tod und Hospitalisierung nicht besser als die Standardbehandlung allein.

Weißdornfrüchte, gepaart mit Kampfer, enthalten auch die altbekannten Korodin®-Tropfen. Sie sollen bei Schwindelanfällen und drohendem orthostatischem Kollaps den Kreislauf wieder in Schwung bringen. Doch trotz der 60 Vol.% Alkohol – ebenfalls Bestandteil der Tropfen – steigt der Blutdruck nur gering an, und was die Vigilanz angeht, liegt die Effektstärke unter 5 %.

Die Rinde des Arjuna-Baumes (Terminalia arjuna) wird in der Ayurvedischen Medizin bei unterschiedlichen Indikationen, u.a. Herzbeschwerden und Hypertonie, genutzt. Sie enthält Saponon-Glykoside, Flavinoide und Tannine. Im Tierversuch entfaltet Arjuna antientzündliche und hypotensive Wirkungen, schützt das Herz ähnlich wie der Weißdorn und hemmt auch die Plättchenaggregation. Darüber hinaus kann es bei fettreicher Diät die Lipide senken.

Zwei klinische Studien mit zusammen 133 Patienten zeigten keinen Effekt auf KHK-Symptome. In einer weiteren Untersuchung an 100 Herzinsuffizienten brachte die zusätzliche Einnahme von Arjuna keine Änderung der linksventrikulären Ejektionsfraktion. Subgruppenanalysen ermittelten Besserungen in manchen Parametern der Lebensqualität. Arjuna-Produkte gelten in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel.

Zu denen gehört auch Roter Reis, der sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Sein Wirkstoff Monakolin K ist identisch und dosisäquivalent mit Lovastatin, erklärte der Pharmakologe. Kein Wunder also, dass sich damit in der Tat eine LDL-Senkung erzielen lässt. Im freien Markt kos­tet Roter Reis aber mehr als das „Verum“ und die Nebenwirkungen unterscheiden sich nur unwesentlich, er bietet also keinen Ausweg bei Statinintoleranz. Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelten Tagesdosen ab 5 mg künftig als Arzneimittel.

Dass sich die in vitro nachgewiesenen Einflüsse einiger komplementärer Substanzen kaum in die Klinik übertragen lassen, hat gleich mehrere Gründe, erklärte Prof. Harder. Zum einen sind die Effektstärken einzelner Komponenten gering, wenn man toxische Nebenwirkungen vermeiden muss. Zum anderen addieren sich einzelne Wirkungen nicht unbedingt, und die mit Einzelsubstanzen gewonnenen Ergebnisse entsprechen keineswegs denen von standardisierten Extrakten.

Gerade in Nah- und Fernost besteht weiterhin großes Interesse an Alternativmedizin und es wird intensiv weitergeforscht. Aktuell beschäftigen sich viele Studien mit Curcumin, dem man antiproliferative, -inflammatorische, -thrombotische und -mikrobielle Eigenschaften zuschreibt. In einer Untersuchung aus China führte die Beschichtung von Stents mit Gelbwurz zur schnelleren Erholung der endothelialen Funktion.

Insgesamt beurteilte Prof. Harder die vorhandenen Phytopharmaka und Nahrungsergänzungsmittel – mit Ausnahme des Roten Reises – als wenig wirkungsvoll, aber auch wenig gefährlich. Man muss sie dem Patienten also nicht unbedingt ausreden, sollte seine Heils­erwartungen aber in realistische Bahnen lenken.

Quelle Fotos: fotolia/Hendraxu, fotolia/M. Schuppich, iStock/bdspn, iStock/xamtiw

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Weißdorn (links), Arjuna-Rinde (rechts oben), Roter Reis (rechts unten) und Curcumin (Mitte) - diese Phytopharmaka wurden auf Herz und Nieren getestet. Weißdorn (links), Arjuna-Rinde (rechts oben), Roter Reis (rechts unten) und Curcumin (Mitte) - diese Phytopharmaka wurden auf Herz und Nieren getestet. © fotolia/Hendraxu, fotolia/M. Schuppich, iStock/bdspn, iStock/xamtiw