Alarmstufe Kot: Antibiotikaeinsatz nötig?

Dr. Dorothea Ranft

Campylobacter jejuni (rechts) lauert vor allem in Rohmilch, in nicht durchgegartem Geflügel und Venusmuscheln. Campylobacter jejuni (rechts) lauert vor allem in Rohmilch, in nicht durchgegartem Geflügel und Venusmuscheln. © CDC/Alissa Eckert

Bei jedem Patienten mit infektiöser Diarrhö den Stuhl auf Erreger untersuchen – das wäre medizinisch sinnlos. Zwei Darmspezialisten erläutern, welche Diagnostik sinnvoll ist, ob Meldepflicht besteht und wann eine Antibiotikatherapie nötig ist.

Schon wenige Fragen kreisen die Genese einer Diarrhö ein: Sistieren Durchfälle nachts oder nach Fasten, ist eine Infektion unwahrscheinlich, bei erkrankten Familienmitgliedern dagegen sehr wahrscheinlich. Eine genaue Abklärung des Erregers empfiehlt die DGVS*-Leitlinie nur für Risikofälle. Dazu gehören z.B. Patienten mit Fieber, blutiger Diarrhö, Immunsuppression, schwerem Krankheitsbild oder relevanten Komorbiditäten. Auch bei einer Antibiotikaeinnahme im letzten Vierteljahr (Clostridium difficile), Heimbewohnern oder auffälliger Häufung ist eine Erreger-Diagnostik angezeigt.

Meldepflicht bei Diarrhö

  • Namentliche Meldung bei gesicherter Infektion: Campylobacter, Salmonellen, Yersinia enterocolitica, enterohämorrhagische bzw. Shiga-Toxin bildende E. coli, sonstige darmpathogene E. coli, Shigellen, Giardia lamblia, humanpathogene Cryptosporidien, Rota- und Noroviren
  • Namentliche Meldung bei Verdacht, Erkrankung, Tod und Ausscheidung: Typhus, Paratyphus, Cholera
  • Meldepflichtig sind auch schwere bzw. tödliche Clostridium-difficile-Infektionen
Gefahndet wird primär nach Campylobacter, Salmonellen und Shigellen (Stuhlkultur) sowie nach Noroviren (Polymerase-Kettenreaktion), schreiben Privatdozent Dr. Christoph Lübbert von der Universitätsklinik Leipzig und Professor Dr. Reinier Mutters, Phillips Universität Marburg. Bei blutiger Diarrhö steht zusätzlich ein Test auf enterohämorrhagische bzw. Shiga-Toxin bildende E. coli an, bei Pseudoappendizitis auf Yersinien und bei Reiseanamnese auf Giardia lamblia sowie Entamoeba histolytica. Zum Nachweis genügt eine Stuhlprobe (s. Kasten) bzw. zwei bis drei Proben bei Vermutung auf Parasitose aufgrund diskontinuierlicher Ausscheidung.

Perfekte Stuhlprobe

Zum Erregernachweis genügen zwei bis drei Löffel Stuhl. Die Probe sollte innerhalb von sechs bis zwölf Stunden (max. 24h) im Labor sein, um ein Überwuchern durch Begleitflora sowie das Absterben der Erreger und die Inaktivierung von Toxinen zu vermeiden.
Die Therapie einer Diarrhö basiert auf oraler Rehydratation, in schwereren Fällen auf Reisschleimsuppe und auf dervon der WHO empfohlenen und als Fertigprodukt erhältlichen Rehydratationslösung.

Loperamid nicht bei blutigen Durchfällen oder Fieber

Zur antiemetischen Therapie eignet sich z.B. Metoclopramid, bei krampfartigen Bauchschmerzen aufgrund der spasmolytischen Komponente Metamizol. Die Behandlung mit Motilitätshemmern wie Loperamid soll nur noch bei unblutigen Diarrhöen ohne Fieber für maximal 48 Stunden erwogen werden. Die empirische Antibiotikatherapie ist ausschließlich bei schwerkranken Patienten angebracht – z.B. mit Fieber, blutiger Diarrhö oder relevanten Begleiterkrankungen. Mittel der Wahl ist Ciprofloxacin, alternativ kommt angesichts zunehmender Resistenzen (v.a. Campylobacter) Azithromycin infrage.

Häufigste Auslöser: Rotaviren, Noroviren und Campylobacter

Am häufigsten meldeten die Kollegen in Deutschland 2015 Infektionen des Norovirus (89 045 Fälle), gefolgt von Campylobacter (70 190) und Rotavirus (33 160). Noroviren werden meist fäkal-oral übertragen, aber auch durch Erbrechen oder kontaminierte Lebensmittel. Bereits 10 bis 100 Partikel genügen, um die Erkrankung auszulösen, betroffen sind vor allem Kinder und Senioren. Nach einer Inkubationszeit von zehn bis 50 Stunden kommt es zu massiven Durchfällen und/oder schwallartigem Erbrechen (Cave: Dehydratation, Elektrolytverlust). Die akute Erkrankung dauert ein bis drei Tage. Infizierte scheiden das Virus noch über Wochen, Immunsupprimierte über Jahre aus. Vor allem Säuglinge und Kleinkinder erkranken am Rotavirus. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral, meist durch Schmierinfektionen. Zwischen ein bis drei Wochen scheiden Infizierte die Viren aus, während der Akutphase sind es bis zu 1011 Viren/Stuhl. Schon 10 bis 100 Partikel lösen eine Infektion aus. Neben leichten Beschwerden kommt es zu schweren Verläufen mit Erbrechen und wässriger Diarrhö (oft Schleimbeimengungen), ggf. auch Fieber und Bauchkrämpfen. Die Symptome halten zwei bis sechs Tage an. Durch die Impfprophylaxe ist die Zahl der gemeldeten Fälle und die Hospitalisierung stark rückläufig. Infektionen mit Campylobacter jejuni sind fast immer lebensmittelbedingt. Insbesondere Kinder sind häufig betroffen, ca. 500 Keime können eine Erkrankung verursachen, die bis zu einer Woche andauert (Anm. d. Red.) und oft selbstlimitierend sowie asymptomatisch verläuft. Betroffene scheiden bis zu fünf Wochen lang Keime aus. Antibiotika wie Azithromycin und Clarithromycin (alternativ Ciprofloxacin) sind bei invasiver Erkrankung (blutige Diarrhö, Fieber), schwerem Verlauf (>1 Woche, Immunsuppression) oder Verdacht auf septische Streuung angebracht. Ein Problem ist die Resistenzentwicklung: In Europa reagieren 40 bis 60 % der Campylobacter-Stämme nicht mehr hinreichend auf Fluorchinolone. Zusätzlich treten vermehrt Makrolidresistenzen auf.

 *Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten

Quellen: Aus der Fachliteratur
1. Lübbert C, Mutters R. Internist 2017; 58: 149-169
2. Hagel S et al. Z Gastroenterol 2015; 53: 418-459

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Campylobacter jejuni (rechts) lauert vor allem in Rohmilch, in nicht durchgegartem Geflügel und Venusmuscheln. Campylobacter jejuni (rechts) lauert vor allem in Rohmilch, in nicht durchgegartem Geflügel und Venusmuscheln. © CDC/Alissa Eckert