Anarchie beim Pustetest auf Darmerkrankungen

Dr. Michael Brendler

Internationales Expertenteam sorgt mit neuem Konsens für mehr Ordnung im Chaos der Atemdiagnostik Internationales Expertenteam sorgt mit neuem Konsens für mehr Ordnung im Chaos der Atemdiagnostik © istockphoto/chombosan

Atemtests auf Wasserstoff und andere Moleküle spielen eine wichtige Rolle bei der Diagnose gastrointestinaler Krankheiten. Aber es gibt kaum Einigkeit darüber, wann und wie die Untersuchungen durchgeführt werden sollen oder wie die Ergebnisse zu interpretieren sind. Eine internationale Arbeitsgruppe hat sich um neue Standards bemüht.

Manche Studienergebnisse machen nachdenklich: So staunten z.B. die Initiatoren einer Metaanalyse zum Thema Diagnostik der Dünndarmfehlbesiedlung vor neun Jahren nicht schlecht: Dreizehn Fall-Kontroll-Studien hatten sie dazu gefunden und alle verwendeten bei der Atemdiagnostik entweder eine unterschiedliche Methodik oder interpretierten die Ergebnisse unterschiedlich.

Das sei kein Zustand bei einer so wichtigen Untersuchung, fand nun das Team um Dr. Ali Rezaie von der Abteilung für Gastroenterologie des Cedars-Sinai Medical Centers in Los Angeles. Immer mehr Ärzte machen sich schließlich den Umstand zunutze, dass Wasserstoff und Methan im Magen-Darm-Trakt ausschließlich von Bakterien gebildet werden. Über den Umweg Blutkreislauf gelangen die Gase schließlich in die Lunge, über die sie wichtige diagnostische Hinweise liefern.

Rotes Licht für Zigaretten, grünes für PPI

Die Kollegen erstellten deshalb einen neuen Konsens zu den Punkten „wann“, „wie“ und „welche Grenzwerte“. Als Untersuchungs-Instrument geeignet sei ein Atemtest, schreiben die Autoren, bei bakterieller Dünndarmfehlbesiedlung und verschiedenen Kohlenhydrat-Malassimilations-Krankheiten. Sinnvoll sei die Untersuchung zudem zur Differenzialdiagnose eines Reizdarmsyndroms. Schließlich weisen Patienten mit diesem Leiden dreimal häufiger als der Bevölkerungsdurchschnitt einen positiven Atemtest auf. Die Oral-Caecale-Transit-Zeit auf diese Weise zu messen, davon raten sie dagegen vorerst ab. Die eingesetzten Testsubstanzen können selbst die Motilität des Darms beeinflussen.

Uneinig waren sich die Experten bisher darüber, inwieweit Protonenpumpenhemmer das Ergebnis verfälschen können und ob sie deshalb vor dem Termin abgesetzt werden müssen. Aktuell, heißt es nun, müsse man dies den Patienten nicht zumuten. Ganz anders sieht die Sache bei Antibiotika aus. Hier rät das Gremium zu einem vierwöchigen Einnahmestop.

Abstinenz ist in der letzten Woche auch bei Laxantien und darmmotilitätsfördernden Mitteln angesagt, „soweit es vom Patienten toleriert wird“. In den letzten 24 Stunden vor der Untersuchung sollte schließlich ebenfalls auf fermentierbare Kohlenhydrate und Zigaretten verzichtet werden, die letzten acht bis zwölf Stunden heißt es: strikte Nahrungskarenz.

Grenzwert liegt bei 20 ppm mehr Wasserstoff

Auch was die Art und Menge der Kohlenhydrate angeht, mit denen der Fermentations- und Gasbildungsprozess angestoßen wird, hat die Gruppe Vorschläge erarbeitet. Für die bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms, den Small Intestinal Bacterial Overgrowth, kurz SIBO, eignen sich demnach besonders gut 75 Gramm Glukose zusammen mit einer Tasse Wasser. Steigt in den folgenden eineinhalb Stunden der Wasserstoff-Gehalt der Atemluft um mindestens 20 ppm, spricht das für einen SIBO. Ein doppelter H2-Peak, wie ihn manche Experten fordern, muss dagegen nicht vorliegen.

Bei der Fahndung nach Lactose- oder Fructose-Maldigestion/ -Intoleranz gilt ein Test als positiv, wenn drei Stunden nach der Gabe von 25 Gramm Lactose oder Fructose plus einer Tasse Wasser ebenfalls ein Anstieg von mindestens 20 ppm Wasserstoff in der Atemluft festzustellen ist.

Quelle: Aus der Fachliteratur; Rezaie A et al. Am J Gastroenterol 2017; 112; 775-784

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