Autoimmunenzephalitis mittels Immuntherapie in die Flucht schlagen

Dr. Andrea Wülker

Der Nachweis von Autoantikörpern gegen NMDAR bestätigt die Diagnose einer Anti-NMDAR-Enzephalitis. Der Nachweis von Autoantikörpern gegen NMDAR bestätigt die Diagnose einer Anti-NMDAR-Enzephalitis. © iStock/media point inc

Mit ausgeprägten neuropsychiatrischen Beschwerden präsentieren sich antikörpervermittelte Enzephalitiden. Die Symptomatik ist prinzipiell reversibel. Entscheidend hierfür ist eine rasche Diagnose und Behandlung.

Autoimmunstörungen sollen einer aktuellen Studie zufolge die dritthäufigste Ursache für Enzephalitiden sein – nach Infektionen und der akuten disseminierten Enzephalomyelitis (die meist postinfektiös auftritt). Zu den klinischen Symptomen der antikörpervermittelten Enzephalitis zählen u.a. Verhaltensänderungen, Psychosen, Krampfanfälle, Gedächtnisstörungen, Dyskinesien und Bewusstseinsstörungen. Bis auf autonome Dysfunktionen liegen jedoch keine weiteren systemischen Manifestationen vor und die Gruppe der antikörpervermittelten Enzephalitiden unterscheidet sich von herkömmlichen Autoimmunerkrankungen – wie dem systemischen Lupus erythematodes –, die auch das Nervensystem betreffen können.

Klinik, MRT und Liquor ähneln oft einer Virusinfektion

In einer Übersichtsarbeit beschäftigen sich die Neurologen Professor Dr. Josep­ Dalmau und Professor Dr. Francesc­ Graus­ vom Universitätskrankenhaus Barcelona­ mit Enzephalitiden, die mit Autoantikörpern gegen neuronale Oberflächenstrukturen assoziiert sind („Autoimmunenzephalitiden“). Bei den meisten Betroffenen erinnern sowohl klinische Manifestation als auch zerebrale MRT- und Liquorbefunde an die einer Virusinfektion.

Die Symptome verlaufen oft über Tage oder Wochen progredient. Etwa 60 % der Patienten weisen prodromal geringes Fieber, Krankheitsgefühl oder Kopfschmerzen auf. Die beiden Störungen, die anhand des klinischen Erscheinungsbilds am häufigsten erkannt werden, sind die Anti-NMDAR*-Enzephalitis und die limbische Enzephalitis.

An der Anti-­NMDAR-Enze­pha­litis leiden vor allem Kinder und junge Erwachsene, wobei weibliche Patienten viermal häufiger betroffen sind als männliche. Bis zu 58 % der erkrankten Mädchen und jungen Frauen weisen ein ovarielles Teratom auf. Eine Assoziation mit Tumoren wird bei Männern und Kindern seltener beobachtet. Bei Kindern äußert sich die Anti-­NMDAR-Enzephalitis meist mit Insomnie, Krampfanfällen, abnormen Bewegungen oder Verhaltensänderungen, während Teenager und Erwachsene sich oft mit psychiatrischen Symptomen (Agitation, Halluzinationen, Katatonie) vorstellen.

Innerhalb von Tagen bis Wochen schreitet die Erkrankung fort und führt zu Gedächtnisstörungen, epileptischen Anfällen, Dyskinesien und Bewusstseinsstörungen. Hinzu kommt eine autonome Instabilität mit Hypersalivation, Blutdruckschwankungen, Tachykardie oder zentraler Hypoventilation. 30 % der Patienten zeigen Auffälligkeiten im MRT. Die Diagnose wird durch den Antikörpernachweis gegen die GluN1-Untereinheit des NMDAR im Liquor bestätigt.

Im Gegensatz zur Anti-NMDAR-Enzephalitis kann der limbischen Enzephalitis eine Immunantwort auf unterschiedliche neuronale Oberflächenproteine zugrunde liegen. Die Patienten sind meist älter als 45 Jahre. Zu den Symptomen zählen Verwirrtheit, Verhaltensänderungen, epileptische Anfälle und Störungen der Gedächtnisbildung. Das MRT zeigt u.a. vermehrte FLAIR**-Signale im medialen Bereich des Temporallappens. LGI1-Antikörper*** sind für die meisten Fälle verantwortlich, 65 % der Betroffenen weisen eine Hyponatriämie auf.

Rituximab bei Therapieresistenten

Die Behandlung basiert auf einer Immuntherapie und – sofern möglich – Entfernung des immunologischen Triggers (s. Kasten). Eine frühe Tumortherapie ist besonders wichtig, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. In der klinischen Praxis kommen meist Glukokortikoide, i.v.-Immunglobuline oder Plasmaaustausch zum Einsatz, obwohl die Effektivität der beiden letztgenannten Optionen begrenzt ist. Falls der Patient nicht adäquat anspricht, werden Rituximab und Cyclophosphamid gegeben. Rituximab ist meist auch bei therapieresistenten Fällen wirksam und scheint das Risiko eines klinischen Rezidivs zu senken, sodass es zunehmend auch als Initialtherapie eingesetzt wird. Generell ist die rasche Immuntherapie mit einem güns­tigen klinischen Ergebnis assoziiert.

Mögliche Trigger

Virusenzephalitiden und Tumoren (z.B. ovarielle Teratome) können u.a. Autoimmunenzephalitiden auslösen. Manche Tumoren enthalten Nervengewebe oder die Tumorzellen exprimieren die neuronalen Proteine, auf die die Autoantikörper abzielen. Das lässt vermuten, dass die ektope Expression dieser Proteine bei der Initiierung der Autoimmunantwort eine Rolle spielt. So können die Herpes-simplex-Enzephalitis und wahrscheinlich auch andere Virusenzephalitiden Antikörper gegen den N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor (NMDAR) und andere neuronale Oberflächenproteine triggern.

* N-Methyl-D-Aspartat
** fluid-attenuated inversion recovery
*** Leucine-rich Glioma Inactivated Protein

Quelle: Dalmau J, Graus F. N Engl J Med 2018; 378: 840-851

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Der Nachweis von Autoantikörpern gegen NMDAR bestätigt die Diagnose einer Anti-NMDAR-Enzephalitis. Der Nachweis von Autoantikörpern gegen NMDAR bestätigt die Diagnose einer Anti-NMDAR-Enzephalitis. © iStock/media point inc