Autoimmunenzephalitis: Psychotische Symptome leiten auf die falsche Spur

Dr. Angelika Bischoff

Die psychotischen Symptome der Autoimmunenzephalitis erschweren eine eindeutige Diagnose. Die psychotischen Symptome der Autoimmunenzephalitis erschweren eine eindeutige Diagnose. © iStock/vchal

Einige wenige Patienten, die wegen psychotischer Symptome in ärztliche Behandlung kommen, haben keine Schizophrenie, sondern eine Autoimmunenzephalitis. Ihnen kann mit einer Immuntherapie sehr gut geholfen werden.

Die häufigste Form der Autoimmunenzephalitis wird durch Antikörper gegen NMDA-Rezeptoren hervorgerufen. Die meisten Betroffenen (90 %) weisen im Liquor eine Pleozytose auf. Das EEG ist in 90 % der Fälle auffällig. Signalveränderungen im MRT finden sich jedoch nur bei 50 % der Patienten. Deshalb schließen normale MRT-Befunde eine Autoimmunenzephalitis keineswegs aus, sagte Professor Dr. Johann Steiner von der Magdeburger Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie.

Nachgewiesen werden die Autoantikörper mittels indirekter Immunfluoreszenz in Serum und Liquor. Der isolierte Nachweis von antineuronalen Antikörpern im Serum reicht in keinem Fall für die Diagnose aus, mahnte der Kollege.

Bewusstseinsstörung erst im Verlauf

Typisch für das Krankheitsbild der Anti-NMDA-Enzephalitis ist, dass alle Patienten nach einer Prodro­malphase zunächst psychotische Symptome entwickeln, die sie primär in psychiatrische Behandlung bringen. Erst im Verlauf entwickeln sich Bewusstseinsstörungen und neurologische Symptome wie epileptische Anfälle und faziale Hyperkinesen, berichtete Privatdozent Dr. Harald Prüß von der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité Universitätsmedizin Berlin.

Diagnosekriterien einer Autoimmunenzephalitis

Nach dem Konsens internationaler Experten erscheint eine Autoimmun­enzephalitis möglich, wenn folgende drei Kriterien erfüllt sind: 1. einem Zeitraum von weniger als drei Monaten kommt es zu Störungen im Arbeits- bzw. Kurzzeitgedächtnis, Bewusstseinsstörung, Lethargie, Wesensveränderung oder psychotischen Symptomen. 2. Es liegen vor:
  • neue fokale ZNS-Befunde und/oder
  • bislang unbekannte epileptische Anfälle und/oder
  • Pleozytose im Liquor (> 5 Leukozyten/mm3) und/oder
  • MRT-Befunde, die eine Enzephalitis nahelegen
3. Andere Krankheitsursachen sind ausgeschlossen (u.a. neurotrope Viren und andere Erreger, rheumatische Erkrankungen, toxische oder metabolische Enzephalopathien, mitochondriale, zerebrovaskuläre Erkrankungen, Tumoren, Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung).

Quelle: Graus F et al. Lancet Neurol 2016; 15: 391-404

Früher sind die Kranken nicht selten verstorben, weil der Nachweis der Pleozytose im Liquor als Zeichen einer viralen Enzephalitis trotz fehlendem Erregernachweis interpretiert wurde. Und damit erschien der Versuch einer immunsuppressiven Therapie als kontraindiziert. Heute weiß man es besser und setzt primär intravenöse Immunglobuline, Steroide und die Plasmapherese/Immunadsorption ein. Die Zweitlinientherapie basiert auf Rituximab und Cyclophosphamid. Allerdings zeichnet sich ab, dass Rituximab demnächst in die Erstlinie aufrücken wird.

Weitgehende Remission trotz Intensivstation

„Wir behandeln inzwischen jeden Patienten mit gesicherter Autoimmunenzephalitis mit Rituximab“, betonte Dr. Prüß. Als Alternative wird auch Bortezomib gegeben. Je früher man diese Antikörpertherapien beginne, desto besser sei die Prognose des Patienten. Obwohl viele Patienten wegen des schweren Verlaufs auf der Intensivstation behandelt werden müssten, werde bei drei Viertel von ihnen innerhalb von zwei Wochen eine weitgehende Remission erreicht.

Fehldiagnose Schizophrenie

Seine psychotischen Symptome ließen an eine Schizophrenie denken, und so wurde ein junger Mann längere Zeit stationär mit Neuroleptika behandelt. Als er eine schwere Katatonie entwickelte, nahm man ein malignes neuroleptisches Syndrom an. Doch dann wurden Anti-NMDA-Antikörper nachgewiesen und die Schizophrenie-Diagnose löste sich in Luft auf. Der Patient litt unter einer Autoimmunenzephalitis, die man mit Plasmapherese, Steroiden und Rituximab behandelte. Dies führte zu einer vollständigen Remission, wie Dr. Prüß berichtete. Der junge Mann konnte sogar seinem geliebten Fallschirmspringen wieder nachgehen.

Der zweithäufigste Antikörper, der eine Autoimmunenzephalitis auslösen kann, richtet sich gegen LGI1, berichtete Dr. Prüß weiter. Jeder dritte Patient mit dieser Form der Autoimmunenzephalitis bekommt faziobrachiale dystone Anfälle, zwei Drittel entwickeln einen Phänotyp, der mit Gedächtnisstörung und neuropsychiatrischen Symptomen einhergeht und kaum von einer Alzheimer-Erkrankung oder frontotemporalen Demenz zu unterscheiden ist. Im MRT fällt dann eine rasch fortschreitende Hippocampusatrophie auf. Mit einer Immuntherapie ist diese seltene Form der Demenz reversibel.

Kongressbericht: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) Kongress 2018

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Die psychotischen Symptome der Autoimmunenzephalitis erschweren eine eindeutige Diagnose. Die psychotischen Symptome der Autoimmunenzephalitis erschweren eine eindeutige Diagnose. © iStock/vchal